Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich
Autoren: Laura Wulff
Vom Netzwerk:
drängte sich unter ihrem Bürofenster, das sich in der ersten Etage des Gebäudes befand. Fragen und Rufe prasselten auf sie ein, jemand hielt ihr an einer langen Stange sogar ein zotteliges Mikrofon hin. Die Stimmen der Reporter überschlugen sich.
    „Wie hat seine Stimme geklungen? Was hat er gesagt?“
    „Fühlen Sie sich bedroht? Haben Sie Angst, sein nächstes Opfer zu werden? Denken Sie, Sie können nachts noch ruhig schlafen?“
    „Haben Sie mit Ms. Cropps gesprochen? Oder ist sie tot?“
    „Wie hat er sie gefoltert? Hat er sie vergewaltigt?“
    Wütend warf Storm das Fenster wieder zu und drehte sich weg. „Sensationslustige Meute“, murmelte sie.
    Sollten sie doch ihren Rücken fotografieren und filmen. Interviews waren das Letzte, was sie jetzt geben wollte. Zudem gab es eine offizielle Nachrichtensperre, weil angenommen werden musste, dass der Wachsmörder die Berichterstattung verfolgte. Die meisten Serienkiller genossen ihre zweifelhafte Berühmtheit. Manchmal nahmen sie sogar selbst Kontakt mit der Presse auf. Das hatte der Wachsmörder bisher nicht getan. Er holt sich nur einen zusätzlichen Kick, indem er eine Polizistin in den Fokus der Medien rückt, dachte sie bitter. Sein nächstes Wunschopfer. Träum weiter!
    „Mach dir keine Sorgen“, beruhigte Malcolm sie. „Wir haben der Presse nur mitgeteilt, dass der Killer dich bedroht hat, denn über kurz oder lang wäre ihnen sowieso aufgefallen, dass du unter Personenschutz stehst.“
    „Die sind doch gar nicht an der Aufklärung des Falls interessiert, sondern nur an den schmutzigen Details, weil damit Geld zu verdienen ist“, klagte sie an, ließ sich in ihren Bürostuhl fallen und legte undamenhaft die Füße hoch. „Ich habe es so satt, freundlich zu ihnen zu sein.“
    „Auf den Pressekonferenzen werde ich ab sofort sprechen. Befehl vom Chef. Wir wollen dem Killer keine unnötige Substanz bieten.“ Malcolm schaltete seine Miniaturwarmhalteplatte ein, stand auf und schlenderte zur Kaffeemaschine.
    „Ein Wunder, dass Lobster mich nicht ab sofort nur noch Streifenwagen fahren lässt. Ihm fehlen wahrscheinlich einfach nur die Leute“, seufzte Storm.
    „Ich habe eine schlechte Nachricht für dich“, begann er vorsichtig und goss sich Kaffee ein. „Wir mussten Neville Jordan heute Morgen laufenlassen. Er kann nicht der Wachsmörder sein. Officer Benhurst hat mit der Versicherung telefoniert und sein Alibi überprüft. Zur Zeit des Anrufs belästigte er deine Nachbarn mit seinem Tornado-Sonderangebot. Das haben alle bestätigt.“
    Storm, die angesäuert war, weil sie beim Verhör nicht hatte dabei sein dürfen, kippelte mit ihrem Stuhl. Als sie jedoch meinte, den Commissioner im Korridor mit jemandem sprechen zu hören, nahm sie ihre Füße vom Tisch und setzte sich wieder aufrecht hin. „Aber weshalb ist Jordan dann losgerannt? Er hätte mir einfach nur Frage und Antwort stehen müssen, aber er ist geflüchtet, als hätte er etwas zu verbergen.“
    „Verdammt, Storm, du hast ihm deine Knarre vors Gesicht gehalten.“ Malcolm wandte sich zu ihr um, aber er schaute sie nicht vorwurfsvoll an, sondern lächelte amüsiert. „Er war bis ins Mark erschrocken und meinte, dass er ja schon so manche Abfuhr erhalten hat, aber so etwas hätte er noch nicht erlebt.“
    „Scheiße, ich habe mich lächerlich gemacht.“
    „Du hast ihm nicht einmal deine Dienstmarke gezeigt.“
    Diese Rüge tat weh, denn Malcolm hatte verdammt noch mal recht. Sie hatte sich nicht in einer Notsituation befunden, sondern hätte genügend Zeit gehabt, um Neville Jordan ihre Dienstmarke vor die Nase zu halten. „Bei einem Prozess hätte das als Verfahrensfehler gegolten.“
    „Aber zu einer Anzeige oder Anklage wird es nicht kommen, weil er nicht der Wachsmörder ist.“ Malcolm kehrte zu seinem Platz zurück und stellte seinen Becher auf den Kaffeewärmer, blieb jedoch stehen und stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab. „Allerdings hat Jordan angekündigt, das PD zu verklagen. Wegen polizeilichem Übergriff.“
    „Weiß Commissioner Lombard das schon?“
    Malcolm lächelte milde. „Es reicht, wenn er es erfährt, sobald das Schreiben von Jordans Anwalt auf seinem Tisch liegt. Es macht keinen Sinn, jetzt schon die Pferde scheu zu machen. Lombard ist eh schon gereizt, weil wir den Killer nach anderthalb Jahren immer noch nicht gefasst haben.“
    „Danke.“ Dann fiel ihr ein, was ihre Nachbarin gesagt hatte. Sie richtete sich kerzengerade auf.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher