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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich
Autoren: Laura Wulff
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in der Zelle. Lass das alles nicht an dich ran, redete sie sich gut zu, aber sie wusste, dass ihr die Aufzeichnung längst unter die Haut gegangen war. Die arme Megan Cropps! Sie litt Todesängste. Storm ertrug Megans verzweifelten Blick kaum noch. Er würde sich wahrscheinlich für immer in Storms Seele brennen.
    Commissioner Lombard kam zu ihr und klopfte ihr auf den Rücken. „Halten Sie durch, Harper. Es ist wichtig, dass sie die Aufzeichnung weiter ansehen. Vielleicht fällt ihnen etwas auf. Die Hälfte haben Sie schon geschafft.“
    Ein Zischen war zu hören. Der Killer hielt einen Bunsenbrenner vor die Kamera und somit auch nah vor Megans Gesicht. Die gequälte Frau schrie vor Panik.

1.
    „Wenn du mich wirklich aufhalten willst, dann komm zu mir“, lockte er mit gefährlich dunkler Stimme. „Komm zu mir, sei mein letztes Opfer. Dann werde ich mein grausames Schlachten einstellen.“
    Detective Storm Harper konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie presste den Telefonhörer fester an ihre Ohrmuschel und bemühte sich, die Panik, die sie dazu drängte, einfach aufzulegen, zu unterdrücken, aber es wollte ihr nicht gelingen. Ihre Professionalität und die Erfahrung aus zwölf Jahren Polizeidienst beim Fort Twistdale Police Department in Michigan waren wie weggeblasen. Sie zitterte. Auf ein solches Telefonat mit einem Seriensexualmörder war sie in ihrer Laufbahn niemals vorbereitet worden. Ein weiterer Grund für ihre Unsicherheit war, dass sie sich nicht an ihrem Arbeitsplatz, auf dem Revier, befand, sondern spätnachmittags zu Hause in ihrer Küche saß, nur mit Slip und T-Shirt bekleidet. Der Wachsmörder, wie die Sonderkommission ihn nannte, hatte sie kalt erwischt.
    „Du bist so schweigsam“, bemerkte der Anrufer nachdenklich. „Wenn du mit der Presse sprichst, bist du nie um eine Antwort verlegen, musst nie um Worte ringen. Und jetzt fällt dir nichts ein?“
    „Was wollen Sie von mir?“, brachte sie mühsam hervor. Sie fasste sich an die Kehle, weil sie daran denken musste, wie er seine Opfer tötete: Er tröpfelte Wachs in die Nasenlöcher der Frauen, die er entführt hatte, bis sie nur noch durch den Mund atmen konnten. Dann ließ er flüssiges Wachs in ihren Mund laufen, bis ihre Kehlen verschlossen waren. Während sie jämmerlich erstickten, ergötzte er sich an ihrem Todeskampf, dichtete schließlich auch ihre Ohren mit Wachs ab und tropfte die heiße Flüssigkeit über ihre Augen, bis ihr ganzes Gesicht mit Kerzenwachs bedeckt war. Nachdem er so eine wächserne Totenmaske geschaffen hatte, füllte er auch die restlichen Körperöffnungen mit der sich langsam aushärtenden Masse.
    Kerzenwachs. Das klang so harmlos. Am Anfang hatten sich die Medien über den Begriff „Wachsmörder“ lustig gemacht. Bis das zweite, dann das dritte Opfer mit einer solchen Wachsmaske gefunden worden waren. Und die Bevölkerung begriff, dass auch etwas Banales wie Wachs absolut tödlich sein konnte.
    Seine Stimme klang eine Spur schärfer: „Das sagte ich bereits. Es ist ganz einfach. Alles, was du tun musst, ist dir die Augen zu verbinden, dir Handschellen anzulegen und darauf zu warten, dass ich dich abholen komme. Keine Sorge, es wird dann nicht lange dauern, bis ich bei dir bin. Den Moment deiner Entscheidung werde ich nicht verpassen.“
    Ihr Puls raste. Das Blut rauschte in ihren Ohren. „Für wie naiv halten Sie mich?“
    „Ich halte dich für arrogant und abgebrüht. Du passt perfekt in mein Beuteschema. Eine Frau, die vom Erfolg verwöhnt ist und sich nicht scheut, ihre Ellbogen auszufahren, um sich in der Männerwelt durchzusetzen.“
    „Sie kennen mich doch gar nicht“, zischte sie ihn an. Storm hatte das Bedürfnis, sich zu verteidigen. Und sie hatte Angst.
    Er lachte leise, beinahe verführerisch. „Ich kenne dich besser, als du glaubst, denn ich habe dich genau beobachtet wie alle meine Opfer. Zum Beispiel weiß ich, dass du jetzt gerade in deiner Küche sitzt und auf die Packung Lucky Strike starrst, die vor dir auf dem Tisch liegt. Die Lust auf eine Zigarette ist quälend, aber du möchtest dich durch nichts von diesem Telefonat ablenken lassen, deshalb steckst du dir keine an.“
    Bestürzt schaute sie sich um. Sie sprang vom Stuhl auf, eilte zum Fenster und spähte hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, aber noch immer hingen schwere graue Wolken über den Dächern von Fort Twistdale. Doch da war niemand. Zumindest sah sie niemanden. Aber er konnte sie sehen, irgendwie. Alarmiert
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