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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich
Autoren: Laura Wulff
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ausgesehen, als wäre ihr Gesicht das einer Wachsfigur. Vor ihrem Tod musste sie durch die Hölle gegangen sein. Lucille Canberra, die Gerichtsmedizinerin des Fort Twistdale Police Departments, hatte festgestellt, dass die Lungen des Opfers abnorm aufgebläht waren, und sie hatte Rückstände von Schaumpilz gefunden, einem schaumigen Belag aus Luft, Wasser und Bronchialschleim auf Nase und Mund. Außerdem befanden sich in Cheryls Magen Spuren von Vanilleschaumbad. Der Killer musste das Wasser, das er auf ihr abgedecktes Gesicht gegossen hatte, damit angereichert haben. Er schien ein Faible für Vanille zu haben.
    Storm wurde flau im Magen. Zumindest hatte ihr dieser Anrufer den Beweis geliefert, dass er wirklich der Serienkiller war, denn diese neue Foltermethode des Wachsmörders hatte das FTPD der Presse gegenüber noch nicht erwähnt. Die Medien hätten die Bevölkerung mit der detaillierten Beschreibung in Aufruhr gebracht. Jeder Mitbürger hatte eine Schwester, eine Tochter, eine Mutter … Niemanden hätte es kaltgelassen zu erfahren, dass, jedes Mal wenn der Killer sein grausames Spiel von vorne begann, Cheryls Atmung vor Schreck dreißig bis sechzig Sekunden ausgesetzt hatte. Sie hatte panisch eingeatmet, und Wasser war in ihre Luftröhre und ihre Bronchien gelangt. Was folgte, waren Sauerstoffmangel im Gehirn und Muskelkrämpfe, bis ihre Atemversuche immer schwächer geworden waren. Doch bevor es zum Atemstillstand kam, hatte der Seriensexualmörder das nasse Tuch von ihrem Gesicht entfernt. Er ließ sie kurz wieder zu sich kommen. Dann war ihre Tortur von vorne losgegangen.
    „Es war nur ein Versuch, ein Test am lebenden Objekt“, warf er ein, „um das Spiel ein wenig interessanter zu machen. Mir war eben langweilig, und wir alle brauchen ein wenig Abwechslung.“
    Storm horchte auf. Es war ungewöhnlich, dass ein Serientäter seine Methoden variierte. Er verfeinerte sie mit der Zeit, um die Qual seiner Opfer – und damit den Kick für sich selbst – zu erhöhen, ja, das war typisch, aber kein Serienmörder veränderte einfach so seine Vorgehensweise, nur um mehr Spaß zu haben. Der Wachsmörder war intelligenter, als sie alle angenommen hatten. Oder seine Gier wurde immer größer.
    Auf Zehenspitzen huschte sie in den Flur hinaus. Vor ihr auf dem Schuhschrank lag nun ihr Mobiltelefon. Sie brauchte es nur zu greifen und ihrem Partner Malcolm Lawrence eine SMS zu schreiben oder ihn mithören zu lassen, damit er im Bilde war und die nötigen Maßnahmen einleiten konnte.
    Sie schrak zusammen, als der Anrufer leise drohte: „Tu das nicht.“
    „Wie bitte?“ Ihre Stimme war belegt.
    „Lass dein Handy liegen“, warnte er sie und klang gleichzeitig so ruhig, als wäre er sich seiner Überlegenheit sehr sicher. „Du weißt, dass Megan Cropps in meiner Gewalt ist. Ich würde sie für deinen Fehler büßen lassen. Mach ihr den Aufenthalt bei mir nicht schwerer, als er ohnehin schon für sie ist.“
    Aufgebracht flog Storm herum und suchte fieberhaft mit den Augen nach dem Versteck einer weiteren Kamera, denn es musste noch eine zweite, vielleicht sogar noch mehr in ihrem Haus geben, und sie ballte die Hand zur Faust. Aber sie fand nichts, keinen Hinweis, zumindest nicht auf den ersten Blick. Alles sah so aus wie immer. Oder beobachtete er sie aus einem sicheren Versteck, wartete ganz in der Nähe? Wut und Furcht übermannten sie, doch sie durfte sich nichts anmerken lassen. Unter keinen Umständen durfte sie ihm zeigen, dass er Macht über sie hatte. Angst erregte ihn. Sobald er Blut geleckt hatte, hätte sie keine Chance mehr gegen ihn.
    Aber wusste er nicht sowieso längst, wie sie sich fühlte?
    Storm atmete tief durch. Sollte sie ihre Springfield holen? Das Schulterholster hing an der Garderobe gleich neben dem Eingang. Aber dann müsste sie durch den Korridor gehen – und dort würde er sie vielleicht beobachten können. Sie entschied sich dagegen, ging zurück in die Küche und setzte sich wieder, nur einen Schritt vom Messerblock entfernt, um eine Waffe in Griffweite zu haben, sollte der Wachsmörder plötzlich vor ihr stehen. „Warum?“, fragte sie ihn.
    „Die meisten Menschen bekommen nicht die Antworten, die sie erhoffen, weil sie nicht die richtigen Fragen stellen. Also?“
    „Warum dieses veränderte Spiel – und warum ich?“
    „Das sagte ich bereits. Du musst besser zuhören. Du passt perfekt in mein Beuteschema. Was gibt es Schöneres, als den weiblichen Detective, der gegen mich
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