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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich
Autoren: Laura Wulff
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Satz nach vorne, verzog gequält ihr Gesicht und rannte, so schnell sie konnte, hinter ihm her.
    Er wollte gerade über den kleinen, weißen Zaun springen, der den Vorgarten eingrenzte, als ein Stein ihn am Kopf traf. Verdutzt schaute er nach rechts. Da traf ihn ein weiterer Stein direkt an der Schläfe. Blut sickerte aus der Wunde, aber nicht besonders viel. Nur seine Haut war aufgeplatzt.
    Gerade als er sich an die Stirn fasste und das Blut in seiner Hand betrachtete, warf sich Storm auf ihn. Sie schlugen der Länge nach hin. Er schrie auf, und sie zog ihm den Griff ihrer Waffe über den Schädel. Blitzschnell packte sie seine Handgelenke und bog seine Arme auf den Rücken. Die Handschellen klickten.
    Sie erhob sich wieder, baute sich vor ihm auf und sagte: „Sie sind verhaftet …“, und begann, ihm seine Rechte mitzuteilen.
    „Sind Sie verrückt geworden?“, schrie er und drehte den Kopf, damit er zu ihr aufsehen konnte. Ein dünnes Blutrinnsal war über seine Nase gelaufen und gerann bereits. „Ich bin doch nur ein harmloser Versicherungsvertreter.“
    „Und warum sind Sie dann weggelaufen?“ Sie winkte ihrer Nachbarin zu, einer alten Dame, die in ihrem Vorgarten stand, der unmittelbar an Storms Grundstück grenzte. „Wo haben Sie gelernt, so gut zu zielen, Ms. Brewster?“
    Martha Brewster kicherte verschmitzt. Sie trug ein cremefarbenes Twinset, Perlenohrringe und roten Lippenstift. Ihre Zähne waren genauso unnatürlich gelb wie ihre Haare, die zu einer Doris-Day-Frisur toupiert waren. „Mir ist immer so langweilig. Da habe ich mir ein Hobby angeschafft. Steine werfen. Mal trifft es den Postboten, mal Mister Woolburk, der neben mir wohnt. Er schimpft immer, weil meine Wicken in seinen Garten wachsen. Abfällig sagt er ‚wucherndes Gestrüpp‘ dazu. Das musste ich ihm doch irgendwie heimzahlen, nicht wahr?“
    „Wie gut, dass Sie mich nicht auf dem Kieker haben“, meinte Storm und zwinkerte ihr zu.
    „Sie sind ja nie zu Hause, Kindchen.“ Der Blick der alten Dame erhellte sich. „Aber Sie können mich ja deswegen verhaften. Das wäre doch mal ein Abenteuer für eine alte Frau wie mich.“
    „Ein andermal vielleicht. Jetzt muss ich erst einmal meine Kollegen rufen. Wären Sie wohl so freundlich und würden kurz auf den da“, Storm zeigte auf den am Boden liegenden Mann, der mittlerweile resigniert hatte, „aufpassen, damit ich mein Handy holen kann?“
    „Leihen Sie mir Ihre Waffe?“ Mit Unschuldsmiene fügte Ms. Brewster hinzu: „Um ihn in Schach zu halten.“
    „Nein.“ Storm fiel wieder ein, dass sie nach wie vor untenherum nur einen Slip trug. Verlegen zog sie den Saum ihres TShirts nach unten.
    „Schade. Er kam mir gleich verdächtig vor.“ Ms. Brewster kam zum Zaun, der die Grundstücke trennte, und lehnte sich darüber, um die Kopfwunde des Mannes näher zu betrachten.
    Storm beeilte sich. Nicht nur, weil sie befürchtete, dass der Verdächtige versuchen könnte zu flüchten, sondern auch, weil sie ihrer Nachbarin zutraute, dem Kerl noch einen Stein zu verpassen. Sie lief ins Haus zurück und fingerte als Allererstes eine Zigarette aus der Packung. Ihre Hand zitterte so sehr, dass sie Mühe hatte, sie anzuzünden. Während sie das Nikotin gierig inhalierte, nahm sie ihr Mobiltelefon vom Schuhschrank und kehrte zur Garderobe zurück, von wo sie durch die offene Eingangstür den vermeintlichen Vertreter im Blick behalten konnte.
    „Machst du eigentlich nie Feierabend?“, meldete sich ihr Partner. Er und seine Frau waren D.I.N.K.s – double income no kids – und genossen ihre Freizeit in vollen Zügen. Sie gingen oft gut essen und ins Theater, erlaubten sich Kurztrips am Wochenende und trafen sich häufig nach Feierabend im Shoppingcenter, um beim Einkaufen zu entspannen. Malcolm investierte sein Geld offensichtlich jedoch nicht in Kleidung, er war genauso leger angezogen, wie er sich auch benahm. Wobei mochte Storm ihn wohl gestört haben?
    Sie betrachtete sich im Garderobenspiegel. Ihre kurzen braunen Haare standen wirr vom Kopf ab. Ihr Blick hatte etwas Hektisches. Sie hob die Hand an, in der sie den Glimmstengel hielt: Schweißflecken unter den Achseln. Das auch noch! Sie sah mitgenommener aus, als sie gedacht hatte. In diesem Moment – verschwitzt, paffend und halb nackt – war sie so weit vom Idealbild der braven Tochter ihrer Eltern entfernt wie die Erde vom Mond. Aber das war ja nichts Neues. „Du musst sofort zu mir kommen.“
    „Du klingst aufgeregt. Was ist
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