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Online Wartet Der Tod

Titel: Online Wartet Der Tod
Autoren: Alafair Burke
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sechsstöckiges Gebäude an der 21. Straße Ost zwischen Second und Third Avenue. Am Empfang fragte sie einen der Uniformierten, die dort standen, nach Flann McIlroy, und er begleitete sie zu den Büros der Mordkommission im dritten Stock.
    »Der vierte Schreibtisch rechts«, sagte der Officer und wies ihr in dem Raum voller Tische, Männer und überquellender Regale die Richtung. Der Anteil an Männern unter den Detectives war hier noch höher, als sie es aus Midtown North kannte.
    Spießruten laufen. So fühlte es sich an. Alle Augen folgten Ellie und ihrem halb vollen Karton. Und die Besitzer der Augen grinsten einander wissend an. Das Geflüster wurde unüberhörbar. Das muss McIl-Mulders Lockvogel sein . Ein anderer warf ein, Scully sei ja plötzlich eine Blondine. Und habe eine Schachtel. Eine große Schachtel.
    Ellie tat, als bemerke sie die Kommentare und zudringlichen Blicke nicht. In gewisser Weise konnte sie sie sogar akzeptieren – jedenfalls das, wofür sie standen. Nach außen entstand oft der Eindruck, dass die Atmosphäre, in der Polizisten arbeiteten, geprägt war von derben Witzen, anzüglichen Gesten und unverhohlenen Vorbehalten gegenüber Außenseitern. Doch dieser scheinbar harte Umgangston diente einem bestimmten Zweck. Durch kleine Szenen wie diese wurde er täglich erneuert und bildete eine Art undurchdringlichen Schutzfilm für den darunter liegenden Zusammenhalt, den es unter den Kollegen sehr wohl gab.
    Jetzt richteten sich die Spitzen gegen Ellie, und ihr war auch klar, warum. Sie würde einfach durchhalten, bis die Bemerkungen ihren Zweck erfüllt hatten – einen Zweck, von dem am Ende sie profitieren würde, wenn die Männer, wie andere vor ihnen, erst einmal begriffen hatten, dass sie kein Waschlappen war.
    Am vierten Schreibtisch rechts saß ein Mann, den Ellie schon bei einigen Pressekonferenzen gesehen hatte. Er passte nicht in ihr Schema vom pseudoberühmten Gesetzeshüter-Alphatier. Davon gab es im NYPD einige, und die meisten entsprachen einem von zwei Mustern – gut aussehender blasser Italiener oder gut aussehender blasser Ire. Unterschiedliche Farben und unterschiedlich ausgeprägte Konturen, aber sie waren doch alle von der gleichen Art. Flann McIlroy dagegen sah aus wie eine ältere Ausgabe des Kobolds von den Lucky-Charms-Müslipackungen. Er war nicht unattraktiv, hatte aber etwas von einem in die Jahre gekommenen Kinderstar, der dazu verurteilt ist, bis ans Ende seiner Tage auszusehen wie ein vierzehnjähriger Rotschopf mit Zahnlücke.
    »Sind Sie Detective McIlroy?«
    »Pflückt Keith Richards Kokosnüsse?« McIlroy blickte nicht von dem Bericht auf, den er gerade las.
    »Ich nehme an, diesen Drang haben die Chirurgen beim Zusammenflicken seiner Hirnüberreste entfernt.«
    »Oh, wie nett. Eine Frau am Puls der Zeit.« McIlroy erhob sich und streckte ihr die Hand entgegen. »Sie müssen Ellie Hatcher sein.«
    Um seine Hand schütteln zu können, verlagerte Ellie ihren Karton auf den anderen Arm, doch McIlroy nahm ihn ihr schnell ab und stellte ihn auf seinen Schreibtisch. Dort sah sie ein gerahmtes Foto stehen, das McIlroy zwischen Rudy Giuliani und Bill Bratton zeigte, dem ehemaligen New York Police Commissioner.
    »Die bin ich«, erwiderte sie. »Melde mich zum Dienst. Danke, dass Sie mich hergeholt haben.«
    »Hervorragender erster Eindruck. Die wenigsten Kollegen verstehen meine rhetorischen Fragen.«
    »Wenn’s um alternde Rockstars geht, komme ich mit. Sobald Sie auf französische Literatur anspielen, könnte es schwierig werden.«
    »Sie fragen sich wahrscheinlich, wieso Sie hier sind.« In McIlroys Augen blitzte es.
    »Ich bin da, wo man mich hinschickt«, entgegnete sie sachlich.
    »Ich habe die Erlaubnis vom Stellvertretenden Polizeipräsidenten, ausschließlich einen Fall zu bearbeiten.«
    Ellie gab sich alle Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. Lieutenant Jenkins hatte erwähnt, dass McIlroy gut mit den Oberen konnte, aber der Stellvertretende Polizeipräsident war extrem »oben« – er war für alle Detectives im gesamten Verwaltungsbezirk Manhattan zuständig.
    »Mein Lieutenant ist nicht gerade erbaut darüber, also wird die Freiheit vielleicht nicht ewig anhalten. Er hat schon angedroht, morgen den Stecker zu ziehen, wenn nichts dabei herauskommt. Er ist ein Taktiker. Wenn es keinen Durchbruch gibt – für den Fall, für Sie, für mich –, kochen wir morgen alle wieder mit Wasser. Also packen Sie diese Kiste vielleicht lieber noch nicht
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