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Online Wartet Der Tod

Titel: Online Wartet Der Tod
Autoren: Alafair Burke
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ihrem Bruder und ihr selbst, aufgenommen zwei Jahre zuvor an Thanksgiving in Wichita, ein paar Haarspangen, ihr Lieblingswasserglas, ein Glas Nutella, ein Löffel, ein Feuerzeug und ein Sammelsurium von Stiften, gelben Klebezetteln, Kaubonbons und all dem anderen Kleinkram aus der Schublade. Das war’s. Zu mehr hatte sie es in dreizehn Monaten nicht gebracht.
    Und irgendwie hatten die dreizehn Monate ihr einen Mordfall eingetragen.
     

3
    Ellie Hatcher hatte nie vorgehabt, Polizistin zu werden. Wie jedes kleine Kind, das einem Elternteil nacheifert, hatte sie natürlich mit dem Gedanken gespielt. Aber »Polizistin« hatte irgendwo zwischen »Modedesignerin« und »Astronautin« rangiert. Später, nach dem Tod ihres Vaters, hatte sie jede positive Einstellung zu den Gesetzeshütern eingebüßt. Ihr Vater hatte für seinen Beruf buchstäblich sein Leben gegeben, und seine Familie hatte mit leeren Händen dagestanden. Kein Geld. Keine Unterstützung. Noch nicht einmal Antworten, was seinen Tod betraf.
    Und sie hatte sich den Luxus von Zukunftsträumen nicht mehr leisten können. Als ihr großer Bruder Jess nach New York verschwand, um Rockstar zu werden, waren Ellie und ihre Mutter auf sich gestellt gewesen. Selbst wenn Ellie auch gern weggegangen wäre – das Schulgeld, das sie sich bei zweitklassigen Schönheitswettbewerben zusammenverdiente, hätte niemals für eine Ausbildung in einem anderen Staat gereicht. Also wurde sie Teilzeitkellnerin und Teilzeit-Jura-Studentin an der Wichita State University.
    Wahrscheinlich würde sie inzwischen als Anwältin in Kansas arbeiten, wäre da nicht ihr Bruder gewesen – oder vielmehr ihre Mutter, die angesichts seiner Neigung, Alkohol (und höchstwahrscheinlich andere Substanzen) mit allgemeinem gefährlichem Leichtsinn zu kombinieren, keine Ruhe fand. Nachdem sie ihre Mutter innerhalb von zwei Jahren um zehn hatte altern sehen, war Ellie klar geworden, dass sie ihr – und sich selbst – den größten Gefallen tat, wenn sie Wichita den Rücken kehrte und sich um ihren Bruder kümmerte.
    Dann war etwas Seltsames geschehen. Sie hatte sich verliebt – nicht in einen Mann, sondern in die Stadt New York. Da lebten in überfüllten Wohnungen junge Leute über ihre Verhältnisse und holten sich ihr Essen vom Deli an der Ecke; winzige Fünkchen, die entschlossen ihre Bahnen zogen und eigene Muster ins Chaos schrieben. Das Leben in der Stadt war aufregend und unvorhersehbar – genau das Gegenteil von jener Welt weit auseinander liegender Farmen, in der sie aufgewachsen war. Bei sämtlichen Jura-nahen Jobs, um die sie sich bewarb, wurde sie abgelehnt, aber sie lernte, sich nichts daraus zu machen. Kellnern brachte ohnehin mehr ein, zumindest an den guten Abenden.
    Und dann war etwas noch Seltsameres geschehen. Wie es in keiner Beziehung ausbleibt, hatte Ellie auch einen Blick für die dunklen Seiten der geliebten Stadt entwickelt. Inmitten der großen Gebäude, exklusiven Boutiquen und funkelnden Lichter gab es Hinweise auf ein schäbigeres, raueres New York. Eine Frau mit verblassenden blauen Flecken, die beiläufig neben dem Mülleimer vor einer Bäckerei stehen blieb und das angebissene Croissant unter der Zigarettenkippe ins Visier nahm. Ein Obdachloser, der sich unter uringetränkten Kartons noch enger zusammenrollte in der Hoffnung, nicht in eine der Unterkünfte eingewiesen zu werden, wo sein einziger Besitz keinen Einlass finden würde – der struppige Beagle, der sich in seine Kniekehlen kuschelte. Zu viele Männer, die am Busbahnhof Port Authority auf junge Mädchen warteten, die mit hochfliegenden Träumen aus weit entfernten Städten angereist kamen und nicht wussten, wo sie schlafen sollten.
    Ellie hatte versucht wegzuschauen, die Hinweise zu übersehen – wie alle anderen auch. Aber je angestrengter sie das versuchte, desto offensichtlicher war das Elend geworden. Bis sie begriff, dass es nur einen Beruf gab, bei dem sie die Stadt so lieben konnte, wie sie es wollte, bei dem sie die Person sein konnte, die stehen blieb und half, statt wegzuschauen. Nach drei Jahren Teilzeitstudium am John Jay College of Criminal Justice war sie Polizistin geworden. Es folgten vier Jahre harter Arbeit und die Beförderung zum Detective. Ein einziger ernst zu nehmender Freund war in dieser Zeit gekommen und wieder gegangen, aber sie hatte ja New York. Und sie hatte ihren Beruf.
    Jetzt führte der sie ins Dreizehnte Revier, wo die Mordkommission von Manhattan saß, ein kastenförmiges
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