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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson
Autoren: Jule Verne
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Ausläufern des großen Inselberges wuchsen. Davon wurde auf Anraten Cliftons eine große Menge abgeschnitten. Die jungen Triebe wurden in kochendes Wasser geworfen und mit Ahornzucker gesüßt. Dann ließ man die Flüssigkeit gären, bis ein wohlschmeckendes und besonders gesundes Getränk entstand, das von den Angelsachsen spring-beer genannt wird, Tannenbier. Als die erste Kälte hereinbrach, wurde noch eine wichtige Angelegenheit erledigt, die sich jedoch alles andere als schwierig gestaltete: Sie mußten das Weizenkorn der kleinen Belle aussäen. Dieser eine Keim würde in der Zukunft eine ganze Ernte bedeuten. Aus einem einzigen Weizenkorn können zehn Halme entstehen, von denen jeder achtzig Körner trägt; das sind insgesamt achthundert Körner. Bei der vierten Ernte – und auf diesem Breitengrad waren vielleicht sogar zwei Ernten pro Jahr möglich – würden sie etwa vierhundert Milliarden Körner haben.
    Dieses einzige Weizenkorn mußte also vor jeglicher Zerstörung bewahrt werden. Es wurde an einer windgeschützten Stelle ausgesät, und Belle kümmerte sich darum, es vor Würmern und Insekten zu behüten.
    Gegen Ende November wurde es kalt und regnerisch. Zum Glück war die Grotte behaglich eingerichtet. Was fehlte, war eigentlich nur noch ein Innenkamin, und ein solcher mußte nun unverzüglich gebaut werden. Das war ein schwieriges Unterfangen, zu dem es zahlreicher Versuche bedurfte. Schließlich gelang es Onkel Robinson, aus Ton eine Art Ofen herzustellen, mit dem sich etwas anfangen ließ. Er war ziemlich breit und hoch, um mit Holz geheizt werden zu können und genügend Wärme abzugeben. Nun mußte noch das Problem gelöst werden, wie der Rauch nach draußen geleitet werden sollte. Das war am schwierigsten. In die Grottendecke ein Loch zu bohren, kam gar nicht in Frage, da der dicke Granitfels sehr weit hinaufreichte. Also versuchten Clifton und der Onkel, in die Seitenwand und damit die Fassade des Felsens eine Öffnung zu schürfen. Das war eine zeitraubende, viel Geduld erfordernde Arbeit, da es am geeigneten Werkzeug fehlte. Mit einem langen, spitzen Nagel, den der Onkel aus dem Boot zog, gelang es ihm schließlich, ein Loch zu bohren, durch das ein langes Bambusrohr ins Freie hinaus geführt werden konnte. Daran schloß er ein gekrümmtes Rohr aus Ton an, das aus dem Ofen hervorstand, so daß der Rauch nach draußen geleitet werden konnte. So hatten sie einen ganz passablen Kamin, der zwar bei Südwestwind ein wenig qualmte, aber allzu anspruchsvoll durften sie eben nicht sein, und der Onkel war von seinem Werk höchst angetan.
    Ende November begann die Regenzeit. Im Grotteninneren mußten einige Arbeiten erledigt werden. Der Onkel hatte Weidenruten abgeschnitten und brachte den Kindern das Körbeflechten bei. Er selbst fertigte aus Weiden und Lehm große Käfige an, in denen die Bewohner des Geflügelhofs den Winter verbringen konnten. Auf gleiche Weise gestaltete er auch Meister Jups Hütte etwas wohnlicher. Jup half ihm dabei, indem er das nötige Material herbeischaffte. Während dieser Arbeit unterhielt sich der Onkel mit seinem Gefährten, wobei er sich allerdings die Antworten immer selbst gab. Zwei richtige Freunde waren die beiden. Als die Hütte fertig war, freute Meister Jup sich sehr darüber, und um dem Architekten Komplimente zu machen, fehlte ihm lediglich die Sprache. Die Kinder fanden die Behausung so elegant, das sie ihr den pompösen Namen Jup-Palace verliehen.
    In den ersten Dezembertagen wurde es plötzlich sehr kalt. Sie mußten nun ihre neuen Kleider anziehen. Mit den Fellen, deren Pelzseite außen war, kamen die Mitglieder der kleinen Kolonie schon recht sonderbar daher.
    »Wir sehen aus wie Jup«, sagte der Onkel lachend, »nur daß wir unsere Kleider ausziehen können und er nicht.«
    Die Familie Clifton glich einer Schar Eskimos; doch was machte das schon aus, wenn ihnen nur der kalte Wind nicht unter den warmen Pelz fahren konnte. Ein jeder hatte noch eine Ersatzgarnitur und konnte den Unbilden des Winters getrost entgegensehen.
    Mitte Dezember gingen Wolkenbrüche nieder. Durch die Wassermassen, die vom Berg herabfluteten, schwoll der Serpentine-River gewaltig an. Die Stelle ihres ersten Lagerplatzes wurde bis zur Felswand hin überschwemmt. Der Wasserspiegel des Sees stieg merklich an, so daß Clifton schon die Befürchtung hegte, der See könne über seine Ufer treten. Dadurch wäre den Pflanzungen schwerer Schaden entstanden, und die Überschwemmung hätte
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