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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson
Autoren: Jule Verne
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können ernstzunehmende Gegner sein, da sie über Kraft und Intelligenz verfügen. Ob die hier herumturnenden Affen wohl schon einmal Kontakt mit Menschen gehabt hatten? Ob sie wußten, was von diesen Zweibeinern zu halten war? Sie schnitten jedenfalls alle möglichen Grimassen, als sie Clifton und den Onkel vorbeikommen sahen. Diese schritten forsch aus, da sie sich mit den gefährlichen Tieren nicht unbedingt anlegen wollten.
    »Monsieur«, sagte der Onkel, »gegen solche Kerle hätten wir wohl einen schweren Stand.«
    »Durchaus«, erwiderte Clifton, »und es kommt mir sehr ungelegen, daß sie uns bemerkt haben. Hoffentlich folgen sie uns nicht bis zur Grotte.«
    »Das ist nicht zu befürchten«, sagte der Onkel. »Durch den Fluß wird ihnen nämlich der Weg versperrt. Gehen wir schneller.«
    Die beiden Gefährten eilten dahin, ohne die Grimassen schneidende Horde durch Gesten oder Blicke zu reizen. Die Affen, etwa ein Dutzend, gaben ihnen noch immer das Geleit. Einer von ihnen, ein großer Orang-Utan, der der Anführer der Horde zu sein schien, ging manchmal auf Clifton und den Onkel zu, sah ihnen ins Gesicht und trollte sich dann wieder zu seinen Gesellen.
    Bei der Gelegenheit konnte der Ingenieur ihn sich genau besehen. Der Orang-Utan war sechs Fuß groß. Mit seinem wohlproportionierten Körper, der breiten Brust, dem mittelgroßen Kopf, dessen Gesichtswinkel fünfundsechzig Grad betrug, dem rundlichen Schädel und der von seidigglänzenden Haaren bedeckten Haut war er ein vollendeter Vertreter der Familie der Menschenaffen. Seine Augen waren etwas kleiner als menschliche Augen und blitzten nur so vor Wachheit und Intelligenz. Er trug einen gekräuselten, haselnußfarbenen Bart und über den weißen Zähnen einen Schnurrbart. »Ein schöner Kerl«, murmelte der Onkel. »Wenn wir nur seine Sprache verstehen würden, dann könnten wir uns mit ihm unterhalten.«
    Clifton und er gingen immer noch schnellen Schrittes dahin. Mit Befriedigung nahmen sie zur Kenntnis, daß sich die Horde allmählich im Wald zerstreute. Die Eskorte setzte sich nur noch aus drei bis vier Affen zusammen, und bald ging der große Orang-Utan ihnen alleine nach. Er aber blieb ihnen mit ganz besonderer Hartnäckigkeit auf den Fersen. Ihn abzuschütteln war ganz unmöglich, denn mit seinen langen Beinen mußte er ein hervorragender Läufer sein.
    Gegen vier Uhr erreichten Clifton und der Onkel endlich den Fluß. Sie fanden ohne weiteres die Stelle wieder, an der sie das notdürftig zusammengezimmerte Floß festgemacht hatten. Hier würde nun die Angelegenheit mit dem Affen zu einer Entscheidung kommen.
    Der Orang-Utan ging bis zum Ufer, sah den beiden Männern zu, wie sie ihre Last auf das Floß verluden, und beobachtete interessiert jede ihrer Bewegungen. Dann ging er mit langen Schritten auf und ab, blickte zum anderen Ufer hinüber und schien nicht so recht gewillt zu sein, sich von seinen Weggefährten zu trennen.
    »Achtung«, sagte der Onkel, »jetzt müssen wir ihm entwischen.« Das Floß wurde losgemacht, Clifton und der Onkel sprangen sofort darauf und begannen sich vom Ufer zu entfernen. Da machte der Orang-Utan einen Satz und landete auf dem Rand des Floßes, das er damit beinahe zum Kentern brachte. Mit der Axt in der Hand stürzte der Onkel auf den Affen zu; dieser jedoch verharrte regungslos und starrte sein Gegenüber ohne jede Feindseligkeit an.
    Der Onkel ließ die Waffe sinken. Ein Kampf war offensichtlich unangebracht und wäre unter solchen Umständen auch höchst gefährlich gewesen; am anderen Ufer würden sie weitersehen.
    Als der Fluß überquert war, gingen der Onkel und Clifton an Land, gefolgt von dem Affen. Auch als sie in Richtung Grotte schritten, lief der Orang-Utan ihnen nach. Sie gingen um das Nordufer des Sees herum, durch die Reihe der Kokospalmen, an der Felswand entlang, und der Affe ständig hinterdrein. Als sie endlich bei der Palisade anlangten, öffneten sie das Tor und machten es gleich wieder hinter sich zu.
    Die Nacht war inzwischen hereingebrochen, eine von dichten Wolken verfinsterte Nacht. Ob der Affe noch immer da war? Ja, denn mehrfach gellte durch die nächtliche Stille ein seltsamer Schrei.

Kapitel 23
    Beim Abendessen erzählte Clifton seiner Frau und seinen Kindern, was sich während der Exkursion zugetragen hatte. Die Lösung des Problems wurde auf den folgenden Morgen vertagt. Daher waren am nächsten Tag auch alle früh auf den Beinen. Die Kinder gingen sofort zur Palisade und lugten
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