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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson
Autoren: Jule Verne
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durch die Ritzen. Als Clifton und Onkel Robinson ihre Ausrufe hörten, eilten auch sie herbei.
    Der Orang-Utan war immer noch da. Mal saß er an einen Baum gelehnt mit gewissermaßen verschränkten Armen da und sah auf die Palisade, mal ging er auf das Tor zu, rüttelte kräftig daran und kehrte, da er es nicht aufbrachte, zu seinem Beobachtungsposten zurück.
    Die ganze Familie war hinter dem Zaun versammelt und spähte zu ihm hinaus.
    »Was für ein schöner Affe!« rief Jack.
    »Ja«, erwiderte Belle, »und was für ein gutmütiges Gesicht er hat! Er schneidet gar nicht viele Grimassen, und ich hätte keine Angst vor ihm.«
    »Aber was sollen wir denn jetzt machen?« fragte Mrs. Clifton. »Er kann doch nicht immer vor unserem Tor Posten stehen.«
    »Wie wäre es, wenn wir ihn bei uns aufnehmen würden?« fragte der Onkel.
    »Ist das Ihr Ernst, mein Freund?« entgegnete Mrs. Clifton.
    »Ach wissen Sie, Madame«, fuhr der Onkel fort, »es gibt sehr gute Affen. Der da würde sich vielleicht zu einem ausgezeichneten Diener entwickeln. Und wenn mich nicht alles täuscht, hat er vor, sich bei uns zu verdingen. Schwierig wird es nur, Referenzen über ihn einzuholen.«
    Was der Onkel so scherzhaft vorbrachte, war doch keineswegs übertrieben. Die Intelligenz von Menschenaffen ist wirklich bemerkenswert. Ihr Gesichtswinkel ist kaum kleiner als der von Australiern und Hottentotten. Außerdem ist der Orang-Utan nicht so wild wie der Pavian, nicht so unbesonnen wie der Makak, nicht so schmutzig wie das Seidenäffchen, nicht so ungeduldig wie der Magot, nicht so gewalttätig wie der Hundskopfaffe und nicht so schwierig wie das Schimpansenweibchen. Harry Clifton kannte diese findigen Tiere gut und nannte mehrere Fälle, die auf eine fast menschliche Intelligenz bei ihnen deuteten. So erzählte er seinen Kindern, daß Orang-Utans Feuer anzuzünden und damit umzugehen wüßten. Verschiedentlich seien Affen als nützliche Haushaltshilfen verwendet worden; sie hätten bei Tisch serviert, sich um die Kleider gekümmert, Wasser geschöpft, Schuhe gewichst, seien geschickt mit Besteck umgegangen, hätten jede Art von Speise gegessen, Wein und Likör getrunken etc. Der Naturforscher Buffon habe einen solchen Affen besessen, der ihm lange im Haushalt treue Dienste geleistet habe.
    »Na wunderbar«, sagte der Onkel, »wenn dem so ist, dann wüßte ich nicht, warum dieser Orang-Utan nicht als Diener bei uns arbeiten sollte. Er sieht noch jung aus und wäre leicht heranzuziehen. Zu Herren, die gut zu ihm sind, würde er wohl Zuneigung fassen.«
    Harry Clifton überlegte eine Weile und sprach dann zum Onkel gewandt: »Sie wollen also allen Ernstes dieses Tier bei uns aufnehmen?«
    »Jawohl, allen Ernstes, Monsieur. Sie werden sehen, daß wir bei seiner Zähmung gar keine Gewalt anzuwenden brauchen und es auch nicht nötig ist, ihm die Eckzähne zu reißen, wie dies in solchen Fällen meist geschieht. Dieser Orang-Utan ist sehr kräftig und kann eine wertvolle Hilfe für uns sein.«
    »Nun gut, versuchen wir es«, sagte Clifton. »Falls er uns einmal hinderlich werden sollte, können wir ihn immer noch beseitigen.«
    Daraufhin brachte Clifton die Kinder in die Grotte und trat zusammen mit dem Onkel vor die Palisade hinaus.
    Der Orang-Utan saß gerade wieder am Baum. Er ließ seine zukünftigen Herren auf sich zukommen und wiegte dabei den Kopf langsam hin und her. Der Onkel hatte Kokosnußstücke mitgenommen und hielt sie dem Affen hin. Der führte sie zum Mund und verzehrte sie mit sichtlichem Genuß. Er machte wirklich einen gutmütigen Eindruck.
    »Na, mein Junge«, sagte der Onkel fröhlich zu ihm, »wie geht es uns denn so?«
    Als Antwort gab der Orang-Utan ein gutgelauntes Grunzen von sich.
    »Wollen wir uns dieser Kolonie hier anschließen?« fragte der Onkel. »Wollen wir in Mr. und Mrs. Cliftons Dienste treten?«
    Erneut ein zustimmendes Grunzen des Affen.
    »Und werden wir uns als Lohn mit Kost und Logis zufriedengeben?« fuhr der Onkel fort und streckte dem Affen dabei die Hand hin.
    Der Orang-Utan antwortete mit einer ähnlichen Geste, drückte dem Seemann die Hand und stieß ein drittes Grunzen aus.
    »Ein bißchen einsilbig ist er ja schon«, lachte Clifton.
    »Das ist nur recht so«, entgegnete der Onkel. »Je weniger ein Diener sagt, um so besser.«
    Dann stand der Orang-Utan auf, ging von selbst auf die Grotte zu und betrat den Hof. Die Kinder standen an der Schwelle der Behausung; die beiden Kleinen neben der Mutter
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