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Omega

Omega

Titel: Omega
Autoren: Jack McDevitt
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junger Mann legte Beschwerde gegen einen der Piloten ein. Er sei barsch gewesen, sagte er, und rüde und überhaupt nicht sonderlich gesprächig. Auf dem ganzen Weg von Outpost. Ob sich Hutch überhaupt vorstellen könne, wie das sei, wenn man wochenlang mit einem Captain unterwegs war, der sich so verschlossen gab? Er sprach von Adrian Belmont, den sie gern losgeworden wäre, weil es ständig Beschwerden über ihn gab. Aber die SPA würde der Akademie die Hölle heiß machen, sollte sie ihn entlassen. Da war es besser, sie heuerte einen Auftragsmörder an. Das wäre sauberer.
    Auf jeden Fall betraf diese Angelegenheit nicht die Einsatzleitung. »Es tut mir furchtbar Leid«, sagte sie. »Sie müssen sich vor Augen führen, dass die Piloten diese Reisen regelmäßig allein hinter sich bringen. Einige von ihnen haben ganz einfach gelernt, ohne Sozialkontakte zu leben. Wir bitten unsere Passagiere um Verständnis. Aber wenn Sie diese Sache dennoch weiter verfolgen wollen, fürchte ich, Sie sind in der falschen Abteilung. Sie müssen sich an das Personalbüro wenden. Am Ende des Korridors rechts. Haben Sie vielen Dank.«
    Sie gab einem Journalisten, der an einem Buch über Moonlight arbeitete, ein Interview, arrangierte einen Sondertransport nach Paradise für Abel Kotanik, der von dem Außenteam angefordert worden war, jonglierte mit Frachtplänen, um eine Ladung medizinischer Geräte (die versehentlich auf Serenity im Hangar vergessen worden war) zu den Zwillingen weiterzuleiten, und beschloss, den Chefingenieur auf Pinnacle wegen Regelwidrigkeiten und Versäumnissen zu feuern, die sich bereits über drei Jahre hinzogen.
    Das letzte Meeting des Tages fand mit Dr. Alva K Emerson statt; ein weiteres Beispiel für ein Gespräch, das sie gern jemand anders überlassen hätte. Irgendjemandem. Hutch ließ sich nicht leicht einschüchtern, aber in diesem Fall machte sie bereitwillig eine Ausnahme.
    Alva Emerson war Medizinerin, hatte die achtzig deutlich überschritten und war eine der großen Persönlichkeiten des Jahrhunderts. Sie hatte den Kinderbund gegründet und geleitet, der weltweit Hunderttausenden von Kindern während der vergangenen vierzig Jahre eine moderne medizinische Versorgung angedeihen ließ. Sie hatte die reichen Länder mobilisiert und die Gesetzgebung durch den Weltrat und in sechzig Nationen rund um den Globus beeinflusst, um den vergessenen Menschen dieser Erde Beistand zu gewähren. Während wir nach den Sternen gegriffen haben, so hatte sie vor zwanzig Jahren am Sudandenkmal bei einer ihrer gefeierten Reden hervorgehoben, kann ein Drittel unserer Kinder nicht einmal nach einem belegten Brot greifen. Diese Worte waren über dem Eingang zum Hauptquartier des Bunds in Lissabon in den Stein gemeißelt worden.
    Die Welt liebte sie. Politische Führer fürchteten sie. Wo immer sie hinging, geschah etwas Gutes. Krankenhäuser wurden erbaut, Ärzte strömten herbei, Spenden aus der Wirtschaft füllten die Kassen. (Niemand wollte als schäbiger Geizhals dastehen, wenn Dr. Alva an die Tür klopfte.) Ihr eilte der Ruf voraus, Millionen gerettet zu haben. Sie hatte den Friedenspreis und den Americanus gewonnen, nannte den Papst und den Präsidenten der NAU beim Vornamen und hatte den Bürgerkrieg in Argentinien schlicht dadurch beigelegt, dass sie sich höchstpersönlich in den Weg gestellt hatte. Und nun kam sie, um Hutch zu sehen. Nicht den Leiter der Akademie. Nicht Asquith. Nein, Priscilla Hutchins. Namentlich.
    Asquith hatte sie gefragt, warum, aber Hutch wusste es selbst nicht.
    »Was immer sie auch will«, hatte Asquith sie angewiesen, »Sie verpflichten die Akademie zu gar nichts. Sagen Sie ihr, wir werden darüber beraten.«
    Er erbot sich jedoch nicht, den Termin an ihrer Stelle wahrzunehmen.
     
    Hutch hatte Dr. Alva natürlich schon viele Male gesehen. Genau wie jeder andere. Wer konnte schon die Bilder vergessen, auf denen sie während der Nachbeben nach dem großen Erdbeben 21 in Peru blutüberströmt über einem sterbenden Mädchen kniete? Oder wie sie den stellvertretenden Botschafter persönlich durch die Trümmer von Bellaconda führte, nachdem die Peacekeeper die Rebellen endgültig niedergerungen hatten? Oder wie sie in dem Seuchengebiet in Südafrika aus dem Flieger gestürmt war?
    Aber als sie nun zur Tür hereinkam, erkannte Hutch sie nicht mehr wieder. Sie wirkte irgendwie kleiner. Das windzerzauste Haar war plötzlich ordentlich frisiert, und da war keine Spur von der sachlichen Haltung,
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