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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus
Autoren: Brigitte Kanitz
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während Grete ihre Schwester mit offenem Mund anstarrte.
    Der Padrone erklärte, Marie sei so lange sein Gast, wie sie es wünschte.
    Artig bedankte sie sich, nahm wieder Platz und lächelte ihrer Wahlschwester Graziella zu.
    Ein frecher Junge platzierte eine Olive in Gretes noch immer offen stehendem Mund. Sie hustete und spuckte die Olive aus.
    Allgemeines Gelächter setzte ein, und die Stimmung hob sich mit jedem weiteren Glas Grappa oder Limoncello.
    Ich dachte daran, dass wir nun in einem halb leeren Kleinbus zurück nach Deutschland fahren würden. Selbst wenn wir Sissi bis München mitnahmen, blieb noch reichlich Platz für weitere Passagiere. Für Opa zum Beispiel. Ach nein, der hatte bestimmt seine eigene Art zu reisen.
    Ich beschloss, keinen weiteren Alkohol zu trinken. Nicht, dass mir noch am letzten Abend was passierte.
    »Meinst du, die Occhipintis kommen wirklich?«, fragte ich Jan, der mir gegenübersaß. »Ich müsste dann nämlich bald mit der Planung anfangen. Wir können nicht alle Zimmer vermieten, und ich muss vielleicht sogar ein paar Gästen absagen.«
    Jan hob die Schultern. »Keine Ahnung. Lassen wir uns überraschen.«
    Recht hatte er. Wenn ich in den vergangenen Wochen und Monaten eines gelernt hatte, dann war es dies: Das Leben passiert, während wir Pläne schmieden.
    Langsam ließ ich meinen Blick über die Tischrunde gleiten. Noch zu Beginn des Sommers war ich ein Single ohne Anhang gewesen, jetzt gehörte eine vielköpfige europäische Familie zu mir.
    Wahnsinn. Aber ein schöner Wahnsinn.
    Paul griff nach meiner Hand. »Hoffentlich wird dir nicht alles zu viel.«
    Hm. Mal überlegen. Ein Haus bauen, eine Hochzeit feiern, schlagartig Stiefmutter werden, die Lüttjens’ im Zaum halten und die Invasion der Occhipintis überleben.
    Könnte für eine Vierundzwanzigstunden-Panikattacke reichen. Nicht zu vergessen Sam und Polly.
    Ich schaute Paul an. »Nein, mein Liebling. Das wird es nicht. Wenn wir nur zusammen sind.«
    Meiner Meinung nach war das jetzt meine wahre Heldentat. Das bisschen Höhlenwanderung war dagegen der reinste Spaziergang gewesen.
    In seinen Augen lag all das Glück dieser Welt.
    »Du bist eine wunderbare Frau, Nele.«
    Danke.
    Es dauerte lange, bis ich mich von seinem Anblick losreißen konnte.
    Ich tat es dann auch nur, weil mich eine bekannte Stimme ablenkte.
    Heino.
    Heino?
    Nee, ne?
    Doch da tönte er aus einem alten Kassettenrekorder, der offensichtlich Graziella gehörte. Sie hielt ihn jedenfalls mit beiden Händen fest, als hätte sie Angst, jemand könnte ihn ihr aus den Händen reißen. Papa zum Beispiel. Offensichtlich hatte sie erfahren, dass er kein Heinofreund war.
    Die Tarantella-Musik war verstummt.
    Ich musste grinsen. Ihre Kassetten hatte Marie also mitgenommen.
    Auf einmal wurde mir ganz nostalgisch zumute. Konnte auch am Limoncello liegen. Jedenfalls sang ich plötzlich mit. Jan auch. Alle Lüttjens’ stimmten ein, auch Irene. Nach und nach summten die Italiener mit und versuchten sich an den ungewohnten Worten. Und so klang durch die laue süditalienische Novembernacht ein vielstimmiges: »Auf der Lüneburger Heide, in dem wunderschönen Land …«
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