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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus
Autoren: Brigitte Kanitz
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in Frage. Sie war mit ihren Kräften am Ende und würde es nicht ertragen, noch einmal längere Zeit auszuharren. Außerdem fürchtete ich, den Weg zu ihr nicht mehr wiederzufinden.
    Ich gab ihr den Rest aus meiner Wasserflasche und sah mir dann den Steinbrocken genauer an. Er war groß, ungefähr halb so groß wie Rüdiger, aber er bestand aus porösem Tuffstein. Mit aller Kraft zog ich daran. Doch, ein winziges Stückchen bewegte er sich. Trotzdem würde ich es allein nicht schaffen.
    Rüdiger stupste mich an. Guter Hund. Zusammen müsste es gehen. Ich stellte fest, dass er sein Geschirr trug, nicht das Halsband. Gott sei Dank.
    »Hast du einen Gürtel um?«, fragte ich Klara.
    Sie nickte und nahm unter einigen Mühen ihren robusten Ledergürtel ab. Ich tat das Gleiche mit meinem. Die Enden befestigte ich an Rüdigers Geschirr. Dann zog ich meine Jeans aus und verknotete die Hosenbeine mit den Gürtelenden. So hatte ich eine überdimensionale Schlinge gebaut, die ich nun um den Steinbrocken legte.
    Rüdiger brauchte keine Anweisungen. Er stemmte sich sofort ins Geschirr. Während er zog, schob ich an der anderen Seite des Steins. Zum ersten Mal im Leben hatte ich einen wirklich guten Grund, stolz auf meine Markenklamotten zu sein. So eine Armani-Jeans war reißfester als jede Fake-Hose made in China .
    Als ich plötzlich doch das verräterische Geräusch von nachgebendem Stoff hörte, stockte mir der Atem, aber der Steinbrocken stand schon auf der Kippe, und bevor meine Jeans mit einem unschönen Geräusch endgültig nachgab, hatten wir ihn herumgewuchtet.
    Klara war frei.
    »Mein Fuß«, jammerte sie.
    Hoffentlich war da nichts gebrochen.
    Ich sah, dass ihr Fußgelenk auf dreifache Größe angeschwollen war, aber mehr war für mich nicht zu erkennen.
    »Ich verbinde den Knöchel jetzt mit einem meiner Hosenbeine«, sagte ich zu Klara. »Und dann versuchen wir, ob du laufen kannst.«
    Sie nickte stumm.
    Meine Jeans war sowieso hin, also konnte ich sie auch als Notverband benutzen.
    Klara stöhnte auf, als ich ungeschickt zu Werke ging, aber weiter gab sie keinen Ton von sich.
    Tapfere Deern.
    Dann half ich ihr auf.
    »Es geht schon«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Mühsam schaffte ich sie nach draußen; dort konnte sie sich schwer auf Rüdiger stützen. Der ging zwar fast in die Knie, aber er wehrte sich nicht.
    Tapferer Hund.
    So schleppten wir uns dahin, langsam, immer bergab. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Es kam mir so vor, als hätten sämtliche Touristen wie auf Kommando die Stadt verlassen.
    Gruselig.
    Alle paar Meter brauchte Klara eine Pause und lehnte sich dann schwer atmend gegen die Außenwand einer Höhlenwohnung.
    Ich nutzte diese Momente, um den Handyempfang zu prüfen. Aber es dauerte mehr als eine Stunde, bis wir endlich wieder mit der Außenwelt Verbindung aufnehmen konnten.
    Ich wählte die erste Nummer auf meiner Liste. Jan.
    »Nele!«, schrie er.
    »Klappe halten!«, schrie ich zurück. Konnte sein, dass der Empfang jede Sekunde wieder weg war.
    Im Telegrammstil erklärte ich, was passiert war.
    »Ich habe keine Ahnung, wo wir sind«, setzte ich hinzu. »Ihr müsst uns finden!«
    Klara war bei meinen letzten Worten totenblass geworden.
    »Die finden uns nie«, flüsterte sie und rutschte langsam an der Höhlenwand nach unten. »Und jetzt wird es bald dunkel.«
    Und kalt.
    Ich merkte, dass ich am ganzen Körper zitterte. Klara auch. Behutsam setzte ich mich neben sie und nahm sie in den Arm. Sie kuschelte sich sofort an mich. Rüdiger legte sich auf meine andere Seite, so bekam ich auch ein wenig Wärme von seiner Körperseite her.
    Eigentlich hätten wir weiterlaufen müssen, aber ich wusste, Klara war am Ende ihrer Kräfte. Auch Rüdiger machte einen erschöpften Eindruck. Über mich selbst dachte ich lieber nicht nach.
    Irgendwie, überlegte ich, irgendwie werden uns die schon finden. Bestimmt haben die Carabinieri die Möglichkeit, ein Handy zu orten.
    Nur wenige Minuten später hörte ich das Motorengeräusch eines Hubschraubers über uns.
    »Wir sind gerettet!«, rief ich. Meine Stimme überschlug sich vor Erleichterung.
    Klara sah hoch und begann zu weinen. Ich musste auch mit den Tränen kämpfen.
    Ein Mann wurde an einer Seilwinde zu uns hinuntergelassen. Zielsicher landete er auf dem schmalen Streifen zwischen uns und dem Abgrund. Er brachte uns Wasser und ein paar Energieriegel mit. Rüdiger bekam auch einen ab. Der Carabiniere untersuchte
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