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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus
Autoren: Brigitte Kanitz
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lieber gewesen.
    »Aber Paul …«
    »Um zehn muss ich im Gericht sein.«
    Ach so.
    Hätte er auch netter sagen können. Zum Beispiel: »Das macht doch nichts, mein Schatz. Wir holen das nach. Ich liebe dich.« So was in der Art.
    Diesen kühlen Anwaltstonfall dagegen konnte ich echt nicht gut ab.
    »Ciao«, sagte ich alles andere als warmherzig.
    Ich drückte das Gespräch weg, bevor er es tun konnte, und blieb, wo ich war. Lang hingestreckt auf meinem Bett. Wie gestrandet. Fühlte mich auch gerade so.
    Meine Augen erhielten von mir den Befehl, trocken zu bleiben. Klappte ganz gut.
    Ich dachte an all die schönen Küchen. Edelstahl, helles Holz, dunkles Holz, weiß lackiert …
    Seufz!
    Opa Hermann hätte gesagt, ich wolle das Pferd beim Schwanz aufzäumen. »Erst die Küche, dann das Haus? Dumm Tüch!«
    Ich konnte ihn förmlich hören, als stünde er in meinem alten Mädchenzimmer mit erhobenem Zeigefinger unter dem Take-That-Poster.
    War ein kluger Mann gewesen, mein Opa.
    »Und was ist eigentlich mit heiraten?«, fuhr er fort. »Wollt ihr etwa ohne Trauschein zusammenleben? Aber nicht auf meinem Grund und Boden!«
    »Ist gar nicht mehr deiner. Den hast du mir vererbt. Jedenfalls die Hälfte.«
    Ich war vielleicht nicht ganz klar im Kopf, und meine Beule tat auch weh, aber ich wusste genau, was mir gehörte.
    »Wirst du mir wohl keine Widerworte geben, du ungezogenes Gör!«
    »Aber heutzutage muss man keinen Trauschein haben, um glücklich zu werden.«
    Das gab ihm zu denken. Schließlich war er mit Grete verheiratet gewesen, wäre aber mit Marie sicherlich glücklicher geworden. Nur war sie leider erst später auf seinem Hof aufgetaucht, als sie vor den Hamburger Bombennächten geflüchtet war und bei ihrer älteren Schwester Schutz suchte. Da hatte sich Grete den Bauern schon geschnappt und gab ihn nicht mehr her. Nur leihweise sozusagen, und auch nicht freiwillig.
    Ein geheimer Ehebruch mochte ja auch in den besten Familien in der Lüneburger Heide vorkommen. Aber eine Scheidung? Nein, nicht zu jener Zeit. Da hatten die Leute sowieso Wichtigeres zu tun. Überleben, zum Beispiel, und das frisch geschlachtete Schwein vor den hungrigen Städtern auf Hamstertour verstecken.
    Der erhobene Zeigefinger sank ein Stück herab. Allerdings war Opa noch nie ein Mann gewesen, der so leicht aufgab. »Wenn der junge Mann dich liebt, dann bittet er dich, seine Frau zu werden.«
    Schon einleuchtend.
    Wie würde ich dann heißen? Vielleicht Nele Lüttjens-Liebling? Nele Liebling-Lüttjens? Angenommen, ich hätte damals Karl geheiratet – dann wäre auch eine Nele Lüttjens-Küpper-Liebling in Frage gekommen.
    Oh Gott.
    Ich nahm mir vor, nicht meine möglichen zukünftigen Unterschriften zu üben, und konzentrierte mich auf Opa.
    »Wir kennen uns noch gar nicht so lange. Es ist ein bisschen früh für einen Heiratsantrag.«
    Mein Herz war komplett anderer Meinung, aber das wurde gerade nicht gefragt.
    »Erst die Hochzeit, dann das Haus.«
    Gleich würde er wieder den Spruch mit dem Pferd und dem Schwanz bringen.
    Ich wartete nur darauf.
    Aber da war ich längst eingeschlafen.

5. Schnaps ist auch keine Lösung
    Als ich erwachte, erfüllte frühe Novemberdunkelheit mein Zimmer. Ich streckte mich und stellte fest, dass ich deprimiert war.
    Warum eigentlich? Opa war nicht mehr da. Logo. Er war nie da gewesen. Ob ich jemandem erzählen sollte, dass er mir erschienen war?
    Bloß nicht.
    Oma Grete hatte ja heute früh schon behauptet, sein Geist suche mich heim. Ihren triumphierenden Gesichtsausdruck konnte ich mir lebhaft vorstellen.
    Meine Stimmung wurde noch ein bisschen schlechter. Endlich erkannte ich den Grund. Er war klein und quadratisch und lag unter meinem Bauch. Und er war den ganzen Tag lang stumm geblieben. Trotzdem fischte ich mein Blackberry hervor und ließ mir vom Display bestätigen, dass Paul nicht angerufen hatte. Gute zehn Stunden nicht. Hatte auch keine SMS geschickt.
    Blödmann!
    Aber ich liebte ihn, und ich würde ihn jetzt gleich anrufen und … Von wegen!
    Mit leerem Magen sollte man keine wichtigen Entscheidungen treffen, fand ich. Und mein Magen war gähnend leer. Also erst mal nach unten gehen, schauen, was es Leckeres zum Abendessen gibt, und im Kreise meiner Lieben neuen Mut fassen.
    Klang gut. Das Blackberry ließ ich liegen.
    Die Versuchung war doch verflixt groß. Lieber einen Sicherheitsabstand einlegen.
    Unten in der großen Diele schlug mir der Duft nach Grünkohl mit Bregenwurst entgegen.
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