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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
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Sie belohnte den Dolmetscher mit einer! ihrer leichten Verbeugungen und murmelte ihm, als er den Raum verließ, zu:
    «Wenn bei unserer Ankunft in Moskau unsere acht Zimmer immer noch reserviert sind, könnten wir die Verzögerung hier in Wilna vielleicht vergessen.»
    Wie immer, wenn sie das Gefühl hatte, etwas besonders Schlaues zuwege gebracht zu haben, wurde Miss Baker sofort guter Dinge. Sie bot Mrs. Hoskins ihr Luftkissen für die Nacht an, teilte den andern mit, daß das Frühstück nicht ganz so trostlos sein würde wie das Abendessen, da sie mehrere Dosen Orangenmarmelade und Pulverkaffee in ihrem Koffer habe, und bemerkte huldvoll zu Horace Cleghorn, daß sie von der Tüchtigkeit der Kommunisten sehr beeindruckt sei.
    Ihre strahlend gute Laune hatte eine überraschende Wirkung auf die Delegation. Müdigkeit und Unzufriedenheit wichen allmählich einer fröhlicheren Stimmung, und man war sogar bereit, ein paar milde Scherze über die Unbequemlichkeit des gemeinsamen Schlafsaals auszutauschen.
    Die erste Nacht in der Sowjetunion verbrachten sie in nebeneinander aufgereihten Feldbetten, Mrs. Hoskins an der von den Herren am weitesten entfernten Stelle. Die Demarkationslinie zwischen den Geschlechtern wurde von der Leninstatue verkörpert, die ihren Arm segnend über die friedlich schlummernde Miss Baker ausstreckte.

3

    Waren sie in Wilna nicht gerade herzlich empfangen worden, so konnte die Delegation sich über den Empfang in Moskau nicht beklagen.
    Sie hatten kaum das Flugzeug verlassen, als sie auch schon von einem Empfangskomitee lächelnder Russen umringt waren, die schallende Wangenküsse an alle verteilten, jedem einen riesigen Blumenstrauß in die Hand drückten und ihnen durch zwei Dolmetscher versichern ließen, daß man ihren Aufenthalt in der Sowjetunion so angenehm wie möglich gestalten werde.
    Miss Baker versteckte sich hinter einem Korb weißer Chrysanthemen, den ihr ein kleiner, lächelnder Mann in langem gefüttertem Mantel aufgedrängt hatte, und versuchte, sich langsam an den Rand der Gruppe zurückzuziehen. Aber dieses Bestreben, sich unsichtbar zu machen, wurde sofort bemerkt und der Nervosität und Zurückhaltung alter Menschen zugeschrieben. Man ordnete einen der Dolmetscher vom Hauptteil der Gruppe ab, die im Vordergrund mit Ansprachen beschäftigt war, und beauftragte ihn, die schüchterne alte Dame zu unterhalten. Sie war schließlich das älteste Mitglied der Delegation, sie sah sehr würdevoll aus, sie war also sicher sehr bedeutend.
    Der Vertreter des Stadt-Sowjet, der Präsident der Antifaschistischen Liga und der Stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für die Freundschaft mit Britannien überließen es ihren Vertretern, der langen Begrüßungsansprache zuzuhören, mit der Sir William Finch gerade
    begonnen hatte, und steuerten auf Miss Baker im Hintergrund zu.
    «Genosse Alexandrow hofft, daß die Reise nicht zu anstrengend für Sie war», schnurrte eine lächelnde junge Dolmetscherin herunter. «Er bedauert, daß das schlechte Wetter Sie in Wilna festgehalten hat.»
    Miss Baker nickte freundlich in die Richtung, in der sie den Genossen Alexandrow vermutete, und wechselte den Arm, mit dem sie die Chrysanthemen hielt. Sie hatte nur den einen Wunsch, Blumen und Handtasche hinzuwerfen und ihren dünnen Wollmantel gegen den eisigen Wind auf dem Flugplatz enger um sich zu ziehen.
    «Genosse Kleptikowa möchte Ihnen gern sagen, daß der lange Winter in Moskau fast vorbei ist. Bald wird Frühling und der Schnee geschmolzen sein, und es werden lange, sonnige und heiße Tage kommen.»
    Miss Baker verneigte sich leicht statt einer Antwort; sie wollte sich nicht zu stark mit der Delegation identifizieren, die sie nur als Mittel ansah, zu einem Hotelzimmer zu kommen.
    Aber die Gruppe, die sich jetzt um sie gebildet hatte, versuchte so lebhaft, sie aus ihrer Reserve zu locken, daß unmittelbare Gefahr bestand, die Ansprachen und das Händeschütteln der anderen zu stören. Eine Wochenschau-Kamera und verschiedene Fotografen, die bereits den herzhaft seinen Strauß schwenkenden Sir William anvisiert hatten, bewegten sich jetzt auf Miss Baker zu.
    «Für die Fahrt nach Moskau stehen der Delegation drei Wagen zur Verfügung», sagte die Dolmetscherin in dem verzweifelten Versuch, Miss Baker zu irgendeiner Reaktion zu veranlassen. «Genosse Alexandrow meint, Sie seien sicherlich so erschöpft, daß Sie sich gern von mir sofort zum Wagen bringen lassen würden.»
    Miss Baker, aus
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