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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
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aus. Emlyn Richards erging sich äußerst gefühlvoll über die Zustände in den Bergwerken.
    HoraceCleghorn hielt ein gelehrtes und sehr fachmännisches Referat über die Grundlagen der marxistischen Theorie. Die Russen konterten mit Trinksprüchen auf die Jugend, den Frieden, die Freundschaft, die Solidarität. Sogar Mrs. Hoskins, die sich von ihrem Mißfallen über die Menge scharfer Alkoholika, die in ihrer Gegenwart konsumiert wurde, wieder erholt hatte, erhob sich, um über die Frauen und ihre Rolle bei der Erhaltung des Friedens zu sprechen. Als sie endlich fertig war, standen bereits Tassen mit süßem türkischem Mokka auf dem Tisch.
    Danach endete das Bankett ziemlich abrupt. Ohne den Versuch, sich nach dem Essen noch zu unterhalten, schüttelten sich alle die Hände, grinsten sich freundlich an und verließen den Raum.
    Nach weiterem Händeschütteln in der Halle blieb das Empfangskomitee strahlend zurück, während der gläserne Fahrstuhl die Delegation in den vierten Stock hinauftrug.
    «Miss - eh - Baker, könnte ich Sie wohl einen Augenblick unter vier Augen sprechen?»
    Es war schon lange nach Mitternacht, und obgleich Sir William nach so viel Wein und Wichtigkeit milde gestimmt war, gehörte es doch nicht zu seinen Eigenschaften, auf morgen zu verschieben, was man heute tun konnte.
    «Schön, einen Augenblick. Aber bitte keine einstündige Ansprache», sagte Miss Baker scharf. «Sie mögen an diese späte Stunde gewöhnt sein, aber ich liege fast jeden Abend um zehn im Bett.»
    «Es handelt sich um Ihr - eh - Eindringen ...»
    «Meine Einbeziehung», schlug Miss Baker vor.
    «Schön, Ihre Einbeziehung in meine - eh - unsere Delegation. Ich weiß nicht, wie unsere russischen Gastgeber darüber denken-»
    «Die scheinen überhaupt erst auf die Idee gekommen zu sein.»
    «-aber ich fürchte, wir müssen morgen Schritte unternehmen, um das Mißverständnis aufzuklären. Die Mitglieder dieser Delegation sind in England sehr sorgfältig ausgewählt worden.» Er strich seine eindrucksvolle eisengraue Mähne zurück und gab das überzeugende Beispiel eines sorgfältig ausgewählten Mitgliedes. «Und es ist ungerecht gegen all die, die nicht ausgewählt worden sind, wenn ein Außenseiter plötzlich dieselben Privilegien beansprucht.»
    «Bis ein Uhr nachts aufbleiben zu müssen ist in meinen Augen nicht gerade ein Privileg.» Miss Baker glühte vor Empörung und dachte nicht daran, die Unterhaltung in dem von Sir William angeschlagenen höflichen Ton weiterzuführen. «Außerdem bin ich nicht nach Moskau gekommen, um mir langweilige und völlig unverständliche Reden anzuhören. Wenn Sie so freundlich sein wollten, mir ihre Delegation vom Hals zu halten und endlich aufhören würden, mich mit gemeinsamen Mahlzeiten zu belästigen, hätte ich endlich die Möglichkeit, Rußland für mich allein kennenzulernen, ohne dauernd von Engländern behindert zu werden, die ich genausogut in Clapham oder Brighton hätte kennenlernen können.»
    Ohne Sir William eines weiteren Blickes zu würdigen, stolzierte Miss Baker in Richtung auf ihr Zimmer davon. Wütend marschierte sie durch endlose Korridore, ohne ihr Ziel zu erreichen. Sie mußte sich schließlich geschlagen geben und ihren effektvollen Abgang durch eine reumütige Rückkehr verderben.
    Sir William hatte bei der Suche seines Zimmers mehr Glück gehabt, und Miss Baker war erleichtert, nur noch Patricia Cartwright und Dr. Clark vorzufinden, die gerade der «Stockwerksverwalterin», einer rundlichen kleinen Frau im Spitzenhäubchen, ihre Schlüssel zeigten und vergeblich versuchten, den wortreichen russischen Beschreibungen den Weg ins Bett zu entnehmen.
    Ganz zufällig fanden sie ihre Zimmer schließlich doch noch, und im selben Augenblick fiel Miss Baker ihre Thermosflasche ein, die sie vor dem Abflug in Wilna hatte füllen lassen.
    «Schlafen können wir in dieser Nacht praktisch sowieso nicht mehr», sagte sie. «Hätten Sie Lust auf schwarzen Tee, bevor Sie zu Bett gehen?»
    So fanden sie sich wieder müde und etwas verwirrt in Miss Bakers Zimmer und tranken ihren Tee.
    «Ein höchst unerfreulicher Mensch», sagte Miss Baker plötzlich, der die würdelose Unterhaltung immer noch nachging.
    «Nicht wirklich unerfreulich», sagte Dr. Clark, ohne erst zu fragen, wen Miss Baker eigentlich meine. «Sagen wir mal, ein bißchen großspurig.»
    «Aufgeblasen.»
    «Schön. Aber gefährlich ist das weiter nicht.»
    «Solange seine Ansprachen nicht in die Zeitung
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