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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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Zeichnung nach zu urteilen nicht.
    Er stieg aus und war schon nach ein paar Schritten pitschnass. Die Tür war nicht abgeschlossen. Im Flur tropfte es überall von der Decke auf den Holzfußboden, der sich an vielen Stellen unförmig wellte. Es roch nach feuchtem, modrigem Holz. Überall hatten sich die Tapeten von der Wand gelöst und hingen schlapp nach unten.
    Eines war klar: Schlafen konnte er in der Bruchbude nicht. Seufzend legte er sich in seinem VW-Bus unter eine dicke Wolldecke. Bald beschlugen die Scheiben – eine Gnade, so brauchte er wenigstens das Elend draußen nicht mehr sehen. Sein einziges Glück war sein kleiner batteriebetriebener Kassettenrecorder. Harald spulte zurück und drückte auf die Starttaste: I’d be saved and warm, erklang es aus dem Recoder, if I was in L.A. California, California Dreaming on such a winter’s day. Wie passend, dachte er. Dabei war doch noch nicht einmal Winter.
    Er rieb mit der Faust ein kleines Guckloch in die Seitenscheibe. Draußen war es so dunkel, dass der Bauer nebenan in der Küche Licht angemacht hatte. Wahrscheinlich müsste er sich demnächst mal dort vorstellen, immerhin waren sie ab jetzt Nachbarn. Wer würde ihn dort wohl erwarten? Bestimmt keine Hippies in indischen Klamotten und mit Blumen im Haar, wie in San Francisco.
    Sein Vater hatte ihm wenig von seiner traurigen Heimat Föhr erzählt. Er war selbst so ein fröhlicher Mensch, der immer einen Scherz auf den Lippen hatte. Kaum zu glauben, dass er an einem so trostlosen Ort groß geworden war. Die Kostümpartys seiner Eltern auf ihrer Farm in Petaluma, Haralds Heimatstadt, waren legendär gewesen. Woher sollte sein Vater das haben, wenn nicht aus seiner Kindheit? Vielleicht täuschte Harald sich, und die Föhrer tanzten schon vorm Frühstück bunt verkleidet in ihren Reetdachhäusern, um dem Dauerregen und der Kälte etwas entgegenzusetzen. Schwer vorstellbar, bei der Totenstille, die hier herrschte. Harald jedenfalls hatte im Ort noch keine Menschenseele zu Gesicht bekommen.
    Entschlossen riss er die Seitentüren seines Busses auf. Die Regentropfen prasselten erbarmungslos auf ihn ein. Im Höchsttempo rannte er zur massiven Holztür des Bauernhauses, das vermutlich älter war als das Land, das er gerade hinter sich gelassen hatte. Aber nichts regte sich auf sein Klopfen hin. Gerade wollte er gehen, als die Tür von einem Mädchen geöffnet wurde. Der Geruch von feuchtem Heu und rahmiger Milch waberte ihm entgegen. Das Mädchen starrte ihn mit großen hellblauen Augen an. Sie mochte ein, zwei Jahre jünger sein als er. Ihre schwarzen Haare hatte sie zur Seite gescheitelt und mit einer silberfarbenen Haarspange befestigt, zu ihrer weißen Bluse trug sie eine feine schwarze Stoffhose, die so gar nicht auf einen Bauernhof passen wollte. Sie wirkte filigran wie ein Kind, das Ballett- und Geigenstunden nahm. Beides konnte er sich in dieser düsteren Umgebung beim besten Willen nicht vorstellen.
    «Hi, ich bin Harry Brown», sagte er leise. «Ihr neuer Nachbar.» Der falsche Name kam ihm noch nicht leicht über die Lippen. Aber so stand es nun mal in dem Pass, den sein Vater ihm besorgt hatte.
    Das Mädchen ließ ihn einfach vor geöffneter Tür stehen und lief zurück ins Haus. War das eine Aufforderung, ihr zu folgen? Er war noch nie in Europa gewesen und wollte nichts falsch machen. Nach kurzer Zeit trat eine ältere Frau in den Flur. Sie war ungefähr fünfzig und hatte blond gefärbte Locken. Aus ihrem hageren Gesicht blickten ihn zwei graue Augen misstrauisch an.
    «Ja?», fragte sie unfreundlich.
    «Hi, äh, ich bin Harry Brown, Ihr neuer Nachbar …», wiederholte er.
    «Tee?»
    Er verstand nicht auf Anhieb: War «Tee» ihr Name? Oder wollte sie ihn zu einem Tee einladen? Fehlten da nicht die Fragewörter, die ihm sein deutschstämmiger Vater und die Lehrer an den deutschen Schulen in Kalifornien beigebracht hatten, wie «Möchten Sie vielleicht …», «Dürfte ich …»?
    Zögerlich folgte er ihr durch die Seitentür in eine düstere Küche mit kleinen Sprossenfenstern. Die Wände waren von einer dünnen schwarzen Rußschicht überzogen, neben dem Kohleherd stand ein uralter Tisch, dahinter befand sich eine moderne Essecke aus hellem Holz. Dort saßen das Mädchen von eben und eine Frau, die wohl ihre ältere Schwester war. Sie trug mittellange Haare und hätte ohne ihren abweisenden Gesichtsausdruck vielleicht sogar hübsch ausgesehen.
    Aus dem Kofferradio über dem Herd dudelte ein
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