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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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aus zwei Teilen Bourbon, mit einem Schuss Wermut, aber Holgi hat ihn einseitig zugunsten des Whiskys gemischt. Harald trinkt eigentlich kaum Alkohol, aber das muss jetzt sein.
    «Dreifacher Preis?», fragt er und deutet auf das Glas.
    «Geht aufs Haus», lacht Holgi und setzt sich zu ihm. «Mit kurzen Haaren siehst du echt albern aus.»
    «Und du erst!»
    Sie labern genauso dumm rum wie früher, als wäre eine Woche vergangen und nicht fünfundvierzig Jahre.
    «Ich habe noch Fotos von dir.»
    «Oje.»
    «Harry Peterson mit langen Haaren, der gut drauf ist.»
    «Ey, gut drauf bin ich immer noch.»
    «Sagst du !»
    Sie stoßen an. In diesem Moment kommt ein breitschultriger Mann in einer zerknitterten weißen Kapitänsuniform auf ihren Tisch zugeschaukelt und ruft: «Und wieso trinkt ihr ohne mich?»
    Harald muss überlegen: «Kai?»
    Kai trägt sein volles blondes Haar immer noch schulterlang. Die beiden fallen fast über den Tisch, als sie sich umarmen.
    «Harry, altes Haus!»
    Und so sitzt er vollkommen überraschend mit seinen Kumpels zusammen, und sie quasseln wild durcheinander über die alten Zeiten: über die Disco namens «Erdbeerparadies», bei der DJ Rolf Robertson ein lebendes Krokodil verloste, unvorstellbar!. Über die Musik von Jefferson Airplane, und … und … und …
    Als Harald damals als Student in San Francisco lebte, war er sich sicher, dass es mehr Freiheit als dort nirgends geben könnte. Erstaunlicherweise ist er aber erst auf einer kleinen Insel in der Nordsee ein echter Hippie geworden. Er schickt das Diät-Programm seines Internisten auf Urlaub und stößt kräftig mit den Kumpels an. Einen Drink später fühlt er sich auf Föhr wieder wie zu Hause.
    «Warum hast du dich eigentlich nie mehr gemeldet?», fragt Kai irgendwann.
    «Erzähl ich euch alles, Jungs, lasst mich erst einmal ankommen.»
    Die beiden müssen noch arbeiten, was ihm ganz gut passt, denn außer seinem Hotelzimmer und dem Sandwall hat er noch nichts von Föhr gesehen. Holgi leiht ihm seinen Motorroller, den er hinterm Café Steigleder abgestellt hat, eine wunderschöne rote Vespa aus Italien. Harald stülpt sich Holgis Helm über. Hoffentlich hält ihn kein Polizist an – in den Sechzigern existierte, wenn er sich richtig erinnert, in Deutschland keine Promillegrenze, aber heute ist das bestimmt anders. Er besitzt nicht einmal mehr seinen Führerschein, auch der ist in seinem Haus verbrannt.
    Noch scheint die Nachmittagssonne auf die Insel Föhr, aber auf dem Meer ist die kilometerbreite pechschwarze Wolkenfront deutlich näher gerückt. Das sieht nicht nach einem Regenschauer aus, sondern nach dem Ende der Welt! Harald beunruhigt das nicht die Spur. Er weiß von früher, dass hinter solchen Wetterfronten immer schon der nächste Sonnenschein lauert.
    Lächelnd knattert er mit dem Motorroller durch die weite, flache Marsch, die Weiden riechen nach feuchtem Gras und fruchtbarem, schwerem Kleiboden. Kein Busch steht mehr dort, wo er früher stand, nichts ist wie damals. Trotzdem schlägt eine unsichtbare Macht hier Töne an, die alles in ihm zum Klingen bringen. Vor dem riesigen Föhrer Himmel fühlt er sich im Zentrum aller Lebensenergien. Er staunt: So intensiv erlebt er das nirgends sonst, nicht einmal in der kanadischen Wildnis. Woran liegt das? Ist es die Erinnerung?
    Nein, viel zu lang her. Oder spürt er seine Wurzeln, weil sein Vater hier geboren wurde? Es bleibt ein Rätsel, und irgendwie gefällt ihm das.
    Als er das Ortsschild von Oldsum passiert, fängt er vor Freude an zu singen: Hier hat er Ende der Sechziger gewohnt! Das Dorf sieht noch fast so aus wie früher. Allerdings befinden sich die alten Bauernhäuser in einem viel besseren Zustand. Das Reet auf den Dächern ist frisch, Mauerwerk und Fenster sind tipptopp renoviert. Wo ist nur die gelbe Telefonzelle an der Hauptstraße geblieben, an der er abbiegen muss? Ohne sie braust er fast vorbei. Dann liegt nach wenigen Metern der ehemalige Hof der Olufs in der Ulmenallee vor ihm. Das Haupthaus ist mit roten Steinen neu verklinkert, an der Tür baumelt ein Schild: «Keramikverkauf nur am Wochenende». Der große Misthaufen ist weg, Bauern wohnen hier wohl schon lange nicht mehr.
    Er stellt den Motor aus und hievt den Roller auf den Ständer. Neben dem früheren Hof der Olufs steht immer noch das ehemalige Haus seines Vaters, in dem er in jenem Sommer gewohnt hat. Damals war das Gebäude eine Ruine mit großen Löchern im Dach. Jetzt sieht das schöne alte
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