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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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Eingang ihres Reetdachhauses. Sie schaut einen Moment hoch zu den Blättern, die mit ihrem sanften Rascheln ein heiteres Geräusch zu diesem Sommertag beisteuern. Sie tritt ein und wird von ihrer Sprechstundenhilfe lächelnd im Flur empfangen. Es ist sieben Uhr, die ersten Patienten sitzen bereits im Wartezimmer.
    «Na, warst du auf großer Fahrt?», fragt Sandra neugierig. Sie haben sich von Anfang an geduzt. Sandra Michaelis ist gerade zweiundzwanzig geworden, hat ihre langen blonden Haare neuerdings pechschwarz gefärbt und kaut wie immer Kaugummi.
    «Bei dir sitzt schon der erste Notfall.»
    Maike hastet in ihr Zimmer.
    «Überraaaaschung!»
    Hinter ihrem Schreibtisch sitzt niemand Geringeres als Carla. Sie hat ihr ein üppiges Frühstück mit Croissants, frisch gepresstem Orangensaft, Obst und Tee aufgebaut. Maike staunt nicht schlecht.
    «Moin, Moin», murmelt sie. So gerne sie sonst mit ihrer Freundin tratscht und klatscht, im Moment passt es ihr gar nicht.
    «Du bist heute viel zu früh aufgestanden und hast bestimmt noch nicht gefrühstückt», vermutet Carla.
    «Stimmt.»
    Aber ich habe keine Lust, dir brühwarm jede Einzelheit von Rainer zu berichten, denkt Maike. Auf der Nachbarinsel bereitet Rainer den Hotelgästen jetzt sicher das Frühstück auf der Terrasse mit Blick aufs Wattenmeer, von der er ihr vorgeschwärmt hat. Plötzlich sieht sie ihn wieder vor sich, wie er sie beim Abschied gestern Nacht fest umarmt und vorsichtig auf die Wangen geküsst hat. Ob er an sie denkt? Aber dann taucht Haralds Bild auf, sein kurzer Blick vorhin auf der Fähre.
    Erst jetzt fällt ihr auf, dass auf dem Tisch nur ein Gedeck steht. Carla will also gar nicht quatschen, sondern ihr einfach etwas Gutes tun. Maike schämt sich für ihre schlechten Gedanken und umarmt ihre beste Freundin.
    «War Harry hier?», flüstert sie besorgt.
    Carla kneift ihr lachend in die Wange.
    «Glaubst du an Geister? Ich nicht.»
    Maike beruhigt das kein bisschen. Harry ist kein Geist, und er wird zu ihr kommen, da ist sie plötzlich ganz sicher.

2.
    Durch die gemütlichen Räume des Hotels «Duus am Wyker Hafen» zieht ein hauchfeiner Geruch von gebratenem Fisch. An den Wänden hängen alte Stiche von Wyk. Harald schafft es kaum bis zur Rezeption, so müde ist er. Am Vortag ist er von Calgary über Frankfurt nach Hamburg geflogen und hat sich von dort gleich ein Taxi zur ersten Fähre in Dagebüll genommen. Macht fünfunddreißig Stunden ohne Schlaf, dazu kommt die Zeitverschiebung. Wie ein lebensmüder Greis schleppt er sich zum Tresen und schämt sich ein bisschen für seinen Zustand. Als Chef einer Foto- und Filmagentur begleitet er seine Leute immer noch einmal im Jahr in die kanadische Wildnis, wenn sie Eisbären filmen oder Polarlichter fotografieren, das lässt er sich nicht nehmen. Den Kampf gegen die arktische Kälte mit zwanzig Kilo Gepäck auf dem Rücken hat er bisher immer noch überstanden. Aber jetzt, nach dieser endlos langen Reise, ist er am Ende, nichts geht mehr. Die freundliche rothaarige Chefin kommt mit einer riesigen Schüssel Rührei unter dem Arm aus der Küche.
    «Moin!»
    Moin. Dieses wunderbare Wort versetzt ihm einen Adrenalinstoß. Vierzig Jahre hat er es nicht gehört, und es erinnert ihn sofort an den glücklichsten Sommer seines Lebens. Ein Glück, das dann ein jähes Ende nahm.
    «Moin, Moin. Ich bin Harald Peterson.»
    «Oh, Sie sprechen Deutsch? Und ganz ohne Akzent!»
    Er spricht sogar Friesisch, aber das muss ja niemand wissen. Sein Vater wurde auf Föhr geboren und zog Ende der Vierziger nach Petaluma in der Nähe von San Francisco, was ein klassisches Auswanderungsziel der Föhrer war. Mit seinem Sohn sprach er oft Fering, wie viele Nachbarn es mit ihren Kindern taten, obwohl die meisten noch nie auf Föhr waren.
    «Meine Mutter stammte aus Regensburg.»
    Das war damals, bei seinem ersten Besuch auf Föhr, seine Legende, weil ja keiner wissen durfte, wer er wirklich war. Komisch, dass er diese Lüge automatisch wiederholt.
    Sie reicht ihm ein Formular.
    «Tragen Sie hier bitte Ihre Adresse ein, Herr Peterson.»
    Plötzlich wird ihm hundeelend zumute. Soll er schreiben, dass er keinen Wohnsitz mehr hat? Zwar gehört ihm noch ein Grundstück in Calgary, aber dort ist seit drei Wochen nur noch ein Haufen Asche zu sehen: Gegen Mitternacht war er von einem grandiosen Konzert der Band Coldplay zurückgekommen, als er sein Haus in Flammen aufgehen sah. Ursache war, wie sich später herausstellte, ein
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