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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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Reetdachhaus mit dem prachtvollen Giebel aus wie neu, der üppige Garten ist voller Rosen und Gladiolen, dazwischen wachsen Sonnenblumen. Die weißen Sprossenfenster werden von dunkelgrünen Holzläden umrahmt. Hier hat jemand mit ausgesuchtem Geschmack gewirkt.
    Vor dem Eingang stehen die beiden große Ulmen, die er damals Ginger Rogers und Fred Astaire getauft hat, weil sie im Wind immer so harmonisch miteinander tanzten. An der Tür hängt ein weißes Keramikschild, das etwas Offizielles ausstrahlt. Blöderweise fängt es an zu tröpfeln, und er trägt nur T-Shirt und Jeans! Aber das Schild will er sich noch genauer ansehen, bevor er zurück nach Wyk fährt. Wer wohnt hier jetzt? Mit schnellen Schritten eilt er auf das Haus zu und liest: «Dr. med. Maike Olufs, Ärztin für Allgemeinmedizin».
    Es fährt ihm wie ein Faustschlag in den Magen: Maike? Sie ist immer noch auf der Insel? In seinem Haus?

3.
    Eine Regenfront nach der nächsten fegte über das Deck der «MS Nordfriesland», die unberechenbar von Backbord nach Steuerbord schlingerte. Nur mühsam fand die Autofähre ihren Weg durch die aufgewühlte, stürmische See nach Föhr. Harald stand auf dem Vorderdeck und schlotterte vor Kälte. Es war kälter als an kalifornischen Wintertagen, so um die 12 Grad – und das mitten im Juli!
    Er schloss die Augen und war in Gedanken wieder in San Francisco, an seinem Lieblingsplatz unter dem Amberbaum im sonnigen Golden Gate Park. Man hatte gerade das Zeitalter des Wassermanns eingeläutet und die Erde zu einem Planeten der Liebe erklärt. Harald war da etwas skeptisch, aber wenn es so etwas wirklich gab, dann in San Francisco.
    Vier Monate hatte er dort gelebt und sich seine blonden Haare bis über die Ohren wachsen lassen. Meistens war er in weißer Malerhose und buntem Indianerhemd herumgelaufen. Er war gerade auf dem Weg gewesen, ein echter Hippie zu werden. Doch eines Abends hatte sein Vater vor ihm gestanden, ohne Vorwarnung: Polizisten seien auf seine Farm gekommen, nach Harald werde gefahndet. Sein Vater hatte ihn in seinen Wagen bugsiert und ihn über die grüne Grenze nach Kanada gefahren. Dort hatte er ihm einen Schlüssel in die Hand gedrückt, zu einem Haus auf einer kleinen Insel am anderen Ende der Welt: Föhr.
    «Das ist so abgelegen, da findet dich nicht mal Gott», hatte sein Vater gesagt. Er musste es wissen, denn er war dort aufgewachsen.
    Der Boden unter Harald schaukelte unangenehm hin und her, ihm wurde immer flauer zumute. Ein riesiger Brecher raste auf den Bug zu und schlug über das gesamte Vorderdeck. Haralds bunt bemalter VW-Bus wurde für einen Moment vollständig unter der weißen Gischt begraben. Als er in Wyk mit dem Wagen von Bord rollte, starrten ihn die wenigen Menschen, die bei diesem Wetter am Hafen standen, misstrauisch an. Das kanadische Kennzeichen mit dem Ahornblatt wirkte ohnehin schon exotisch, aber auf der Überfahrt von Halifax nach Hamburg hatte er den hellblauen Bus zusammen mit einem philippinischen Matrosen mit bunten Fischen und Blumen bemalt; so etwas hatten die Einheimischen wohl noch nie gesehen.
    Die Straßen zwischen den schmucklosen Ziegelhäusern in Wyk waren so eng, dass kaum zwei Wagen aneinander vorbei – kamen. Und das, obwohl die deutschen Autos winzig waren im Vergleich zu den amerikanischen. Allein den Volkswagen-Käfer gab es auch in den USA, genauso wie seinen VW-Bus mit der geteilten Frontscheibe.
    Als er aus der kleinen Stadt herausfuhr, war kein Hügel zu sehen. Die kilometerweite grüne Fläche vor ihm endete irgendwo im Nichts. Inmitten dieser Einöde lag das Bauerndorf Oldsum, die Heimat seines Vaters. Es schüttete immer noch wie aus Eimern. Die Reetdächer der düsteren Häuser zogen sich wie Sturmhauben tief über das Mauerwerk. Die schweren Regenwolken waren so dunkel geworden, dass es aussah, als würde gleich die Nacht beginnen, dabei war es erst fünf Uhr nachmittags. Am Ende der Hauptstraße leuchtete ihm ein Fremdkörper gleißend hell entgegen: Die quietschgelbe Telefonzelle erschien ihm wie ein Ufo, das notgelandet war. Hier sollte er rechts in die kleine Allee mit den Ulmen abbiegen. Aber neben einem ärmlichen Bauernhaus stand nur ein Gebäude mit großen Löchern im Reetdach. Es sah völlig verkommen aus, einige Fensterscheiben waren zersplittert, das Mauerwerk grün vor Moos. Eine Ruine. Harald schaute noch einmal auf die handgeschriebene Skizze, die ihm sein Vater mitgegeben hatte: Hatte er sich in der Straße geirrt? Der
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