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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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unterstrich: «Üb immer Treu und Redlichkeit», «Gleich und Gleich gesellt sich gern», «Gegensätze ziehen sich an». Wenn sie mehr als ein halbes Glas Wein getrunken hatte, gluckste sie hinter vorgehaltener Hand auch schon mal: «Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.» Aus ihrem Mund klang das irgendwie charmant.
    «Komm, wir legen uns noch mal hin», schlug Cord vor. Seine Augen blitzten lüstern, er war wie auf Droge.
    «Musst du nicht arbeiten?», fragte Jade.
    «Ja», kicherte Cord, sonst durch und durch Workaholic. «Das ist ja das Schöne!»
    «Morgenstund hat Gold im Mund», bestätigte ihre Mutter. Dann verschwanden die beiden Richtung Schlafzimmer.
    Für Jade brach wieder einmal eine Welt zusammen, aber darüber durfte sie jetzt nicht nachdenken, sonst vergaß sie die Kursentwicklung der Moskauer und Tokioter Börse in den letzten drei Monaten, und das durfte nicht geschehen!
    Auf animalische Geräusche aus dem Schlafzimmer konnte sie gut verzichten, deshalb beschloss sie, das Frühstück ausfallen zu lassen. Sie ging in die Abstellkammer im ersten Stock, nahm zwei große Koffer heraus und schleppte sie in ihr Zimmer. Der Zeitpunkt war gekommen – sie musste ausziehen, und zwar heute noch! Das Geld, das sie als Praktikantin verdiente, würde gerade so für eine kleine Wohnung oder ein WG-Zimmer am Stadtrand reichen.
    Die Wintersachen ließ sie im Haus, sie packte nur T-Shirts, Blusen, zwei Hosenanzüge und drei Kleider für die Arbeit ein, dazu einige Schuhe, Jacken, Unterwäsche und ihren Kulturbeutel. Das passte alles in den einen Koffer. In den anderen kamen persönliche Dinge wie das Tagebuch, das sie mit fünfzehn geschrieben hatte, der MP3-Player, ein paar Bücher. Und natürlich musste Fridolin mit, ihr kniehohes Stoffnilpferd.
    Den Rest würde sie später holen.
    Als sie die Sachen aus dem Haus schleppte, legte sich ein dünner Schweißfilm über ihre Haut. Es war jetzt schon über 20 Grad warm und sehr schwül. Zum Glück hatte sie ihr Auto direkt vor der Tür geparkt. Es war ein knalloranger VW Käfer 1200, der 1972, zwei Jahrzehnte vor ihrer Geburt, frisch vom Band gekommen war. Sie hatte ihn zufällig auf einem Schrottplatz entdeckt und sich sofort in ihn verliebt. Das Auto hatte auch einen Namen bekommen: Paul. Zusammen mit einem Freund, der davon ein bisschen Ahnung hatte, hatte sie Paul restauriert.
    Der größere Koffer passte knapp so in den kleinen Kofferraum, der sich bei diesem Wagen vorne befand, den anderen wuchtete sie auf die Rücksitzbank. Fridolin kam auf den Beifahrersitz.
    Zum Abschied blickte sie noch einmal wehmütig auf das weiße Haus mit den zwei Eingängen: Immerhin hatte sie hier ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht, und an ihre Kindheit hatte sie überwiegend gute Erinnerungen. Den Abschied hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt, aber es gab kein Zurück.
    «Wo werde ich heute Abend wohl schlafen?», fragte sie sich, als sie den Motor anließ. Das würde sich finden, bei Freunden vielleicht, oder sie würde kurzfristig etwas über die Mitwohnzentrale bekommen. Alles war besser, als erneut auf ihre turtelnden Eltern zu treffen.

[zur Inhaltsübersicht]
    2.
    Sudoku
    Mit geschlossenen Augen atmete Arne tief ein. Als er die Luft ausstieß, blinzelte er in die Vormittagssonne, die warm und groß am wolkenlosen blauen Himmel stand. Ungläubig schaute er auf die Wipfel der Kastanienbäume vor seinem Haus, an denen sich kein Blatt regte, was auf der Insel Föhr, wo eigentlich immer ein Wind wehte, eine Ausnahme war. Seit fünf Monaten wohnte er jetzt hier direkt über der Disco, die er übernommen hatte. Nach Jahrzehnten als Surflehrer und Strandkorbvermieter arbeitete er zum ersten Mal an einem festen Ort. Mit achtundfünfzig konnte er ruhig mal daran denken, seriös zu werden – wenn man denn eine Disco als seriös ansah.
    Er zupfte am Stoff seiner knielangen Hose und überprüfte die Schleifen seiner ultraleichten Laufschuhe.
    «Mama, können wir?», fragte er.
    Seine bald achtzigjährige Mutter saß vor ihm in einem Sportrollstuhl und zeigte mit dem Daumen nach oben. Sie war braungebrannt wie immer, ihre kurzen Haare hatte sie gerade beim Friseur neu färben lassen. Seit ihrem Schlaganfall letztes Jahr konnte sie nicht mehr sprechen, daher schrieb sie alles, was sie der Außenwelt mitteilen wollte, mit großen Buchstaben auf einen Block. In diesem Moment war das allerdings nicht nötig, denn von ihren großen blauen Augen war überdeutlich
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