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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Autoren: Janne Mommsen
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seine reetgedeckte Villa gezeigt, um ihm das Maul zu stopfen. Doch leider besaß er weder das eine noch das andere.

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    3.
    Ganz oben
    Jade hatte das gläserne Hochhaus in der Frankfurter City von Anfang an geliebt. Ihr damaliger Ausbildungsleiter hatte sie nach ihrer Banklehre direkt hierher vermittelt. Sechsundzwanzig Stockwerke bauten sich wie ein gigantisches Bergmassiv auf, an dem niemand vorbeikam. Die Investmentbank bewegte jeden Tag Milliarden, was mehr war als das Volumen eines gesamten Landeshaushaltes. Sobald sie das Gebäude betrat, wurde sie Teil dieser Macht und durfte mit an den entscheidenden Schrauben der Weltwirtschaft drehen, wenn auch vorerst nur als Praktikantin.
    Natürlich kamen ihr bei Diskussionen mit Freunden manchmal Zweifel, wie moralisch integer ihr Job war, immerhin verursachten Finanzspekulationen Krisen und Hungersnöte. Aber sobald sie sich im gläsernen Schutz der Bank befand, wurde jeder Zweifel ausgelöscht: Hier wurde die Musik gespielt, nach der die ganze Welt tanzte, und das war einfach aufregend! Mit moralischen Skrupeln hielt sie es wie mit dem Schnellfahren auf der Autobahn: Es erhöhte die Unfallwahrscheinlichkeit, schadete der Umwelt, brachte aber unglaublichen Spaß!
    Die Fahrt in die City hatte mit dem Wagen doppelt so lange gedauert wie mit der U-Bahn, ein Stau war dem nächsten gefolgt. Immerhin hatte sie es noch gerade pünktlich geschafft. Ihr leerer Magen drohte Amok zu laufen, aber für ein Frühstück war jetzt keine Zeit mehr. Als sie die kühl klimatisierte Vorhalle erreichte, steckte sie ihre Magnetkarte in die Sicherheitsschranke, wobei der arabische Wachmann sie wie jeden Morgen freundlich grüßte.
    «Gude Morsche, Frau Riewerts.»
    Es war phänomenal, der Mann kannte wirklich alle Namen, sogar die der Praktikantinnen. Sie antwortete in breitem Norddeutsch, das sie von ihrem Vater und ihren Föhrer Verwandten gelernt hatte: «Moin, Moin, Herr Hussein.»
    Dabei war sie in Frankfurt geboren und aufgewachsen.
    «Ihr Fischköpp müsst erst ema rischdisch Hessisch lerne», kommentierte er – wie jeden Morgen.
    Sie lachte und ging auf einen der vier Aufzüge zu. Ein gleichaltriger Kollege, der sie flüchtig kannte, kam ihr entgegen und zwinkerte ihr fröhlich zu, aber nach Flirten war ihr jetzt nicht zumute. Sie erinnerte sich an ihren Talisman und drückte ihre Tasche fest an sich. Es gab wirklich keinen Grund zur Nervosität, ihre Zahlen waren dreimal recherchiert und abgesichert – hatte sie womöglich trotzdem etwas übersehen? Im Aufzug checkte sie auf dem Smartphone noch einmal die aktuellen Daten in Asien, wo die Börsen bereits geöffnet hatten. Der Nikkei-Index lag knapp im Plus, ihre China-Aktien stiegen gerade um dreieinhalb Punkte, genau darauf hatte sie gewettet. Die ganze Welt schrie nach den seltenen Erden, die sie vor drei Monaten günstig in ihr Depot genommen hatte.
    Als sie im zweiundzwanzigsten Stock ankam, atmete sie auf. Die Klimaanlage verwandelte die Schwüle in angenehm kühle Luft. Vom Großraumbüro blickte sie durch die riesigen Scheiben auf das hochsommerliche Frankfurt und die grünen Taunushöhen, die nach einem heftigen Regenschauer im Nebeldunst lagen. Hinter dem Waldgebiet zog eine dunkle Schlechtwetterfront nach Osten, die Frankfurt zum Glück nicht erreichen würde.
    Bevor sie ein paar weitere Börsendaten checkte, schaute sie im Internet nach den Gezeiten im nordfriesischen Wattenmeer. Hatten sie dort gerade Ebbe oder Flut? Es war ihr tägliches Morgenritual, obwohl die Tidezeiten für Frankfurt natürlich uninteressant waren. Aber so war sie in Gedanken mindestens einmal am Tag bei ihrer geliebten Oma Imke auf der Insel Föhr. Imke war witzig und frech wie ein Teenie. Und wenn sie ihre rechte Augenbraue hochzog und dabei lächelte, war sie die schönste Frau der Welt!
    Als Jade vor vier Jahren das erste Mal im düsteren Grufti-Outfit bei ihr aufgelaufen war, blass geschminkt, mit aufgeklebten Tränen auf der Wange und schwarz umrandeten Augen und Lippen, war ihre Oma die Einzige gewesen, die nicht eine Spur von Befremden gezeigt hatte. Stattdessen hatte sie sie sofort herzlich an sich gedrückt und sich wahnsinnig gefreut, sie zu sehen. Oma besaß zudem einen Coolness-Faktor, der unschlagbar war: Sie wohnte in einer WG, zusammen mit einem ehemaligen Seemann und seiner eleganten Partnerin Christa, Omas bester Freundin. Inzwischen ging es Imke leider nicht mehr so gut. Sie konnte nicht mehr sprechen und
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