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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Autoren: Nelly Arnold
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Ken, dabei bin ich an scheinend zu einer Mutter Beimer geworden, oder Fräulein Rottenmeier oder so was.«
    »Ach, Quatsch«, murmelte mein Vater lakonisch vor sich hin.
    »Ich weiß auch nicht«, dachte ich laut, »vielleicht bleibe ich einfach alleine.«
    Meine Mutter bekreuzigte sich. »Wenn Gott gewollt hätte, dass wir alleine bleiben, hätte er nicht die Liebe erfunden.«
    Mein Vater verdrehte die Augen und seufzte. »Die hat nicht Gott erfunden, die hat Hollywood erfunden.«
    »Was redest du da für einen Unsinn, Jürgen? Wir haben auch aus Liebe geheiratet.« Sie beugte sich über den Tisch und sah ihm bedrohlich ins Gesicht. »Oder etwa nicht?«
    »Doch«, sagte er gelangweilt. Was blieb ihm auch anderes übrig?
    »Also?« Sie sah mich streng an. »Was tun wir?«
    Wir? »Lass mich erst mal das Ganze verarbeiten, ja?«
    »Vielleicht versöhnt ihr euch auch wieder.« Mein Vater war von Natur aus ein Optimist.
    Ich lachte verbittert auf. »Das glaube ich kaum.«
    »Kommt Zeit, kommt Rat.«
    Wir saßen noch eine Weile so da, und die beiden seufzten abwechselnd: »Hach ja«, und: »Ein Kreuz ist das.«
    Später nahm ich meine Koffer und ging in mein altes Kinderzimmer.
    Als ich den Schrank aufmachte, um meine Kleidung dar in zu verstauen, fluchte ich leise vor mich hin. Der Schrank war proppenvoll mit abgetragener Kleidung und Sommersachen meiner Eltern. Nicht einmal mehr ein T-Shirt passte hinein. Also musste ich mein Zeug wohl in den Koffern lassen; wie eine abgehalfterte Schlagersängerin auf Tournee.
    Die Tür ging auf, und meine Mutter stand im Zimmer. »Herrje, du hast ja gar keinen Platz für deine Kleidung.«
    »Na ja, ich lass das Zeug einfach drin. Ist ja schließlich kein Dauerzustand.« Das hoffte ich zumindest.
    »Ach, ich nehme die Sachen einfach aus dem Schrank und schmeiße sie auf den Müll.« Sie wusste, dass ich das nicht zulassen würde – abgesehen davon, dass sie sich lieber die Hände abgehackt hätte. Also sagte ich, was von mir verlangt wurde: »Nein, lass doch. Kein Problem.«
    »Na gut.« Sie strich die Tagesdecke glatt, bevor sie sich neben mich aufs Bett setzte. »Du kannst natürlich für immer bei uns bleiben.«
    Wie ich mich auf diesen Satz hin fühlte? So, als hätte ich einen Tinnitus, zusammen mit einem Schlaganfall und einer Panikattacke.
    »Du, vielleicht ist das sogar eine gute Idee. Du hilfst mir im Haushalt, wir machen im Frühjahr den Garten zusammen, und ich bügle deine Wäsche. Ich weiß doch, wie du das Bügeln hasst.« Schelmisch versetzte sie mir einen Rippenstoß und kicherte.
    Ich verkniff mir, den Gedanken, der mir zuerst in den Sinn kam, laut auszusprechen. Nämlich, dass ich mich lieber kopfüber in die Isar stürzen würde, als so ein Leben zu führen. Ich sagte lieber: »Mach dir keine Sorgen. Nachdem ich meine Gedanken geordnet habe, werde ich schon einen Weg finden.«
    Sie zuckte die Schultern. »Wie du meinst. Aber wenn du den Papi und mich brauchst, sind wir immer für dich da. Übrigens, weiß Markus es schon?«
    »Nein. Ich weiß es doch selbst erst seit ein paar Stunden.«
    »Aber er ist dein Bruder. Du solltest ihn anrufen und …«
    »Ich muss jetzt erst mal Antje anrufen.«
    Sie stand da und schüttelte den Kopf. »Also, wie du das sagst, Evelyn. Als ob deine Freundin dir näherstehen würde als dein Bruder. Wenn es darauf ankommt, ist Familie das Wichtigste. Blut ist dicker als Wasser.«
    Das sah ich anders, aber ich hatte keine Lust mehr, mit ihr darüber zu diskutieren. Wenn Markus und Antje am Ertrinken gewesen wären und ich nur einen der beiden die Hand hätte reichen können, ich wüsste nicht, was ich tun würde. Ich liebte meinen Bruder und sah ihn vor mir, als er noch klein war. Wenn man mit jemandem aufwächst, liebt man ihn zwangsläufig, wenn auch vielleicht nicht im mer um seiner selbst willen. Mit Antje war alles anders. Zwischen uns war es die große Liebe ohne Sex. Seit dem Tag der Einschulung, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, mit der Schultüte in der Hand, konnten wir nicht mehr ohne einander sein.
    Meine Mutter beugte sich nach vorne, als sei ich ein Welpe, der auf eine Belohnung wartet. »Weißt du, was wir jetzt machen?« Sie schloss für ein paar Sekunden vielsagend die Augen, als hätte sie die Weisheit auf ihrer Seite. Hatte sie den ultimativen Lebensplan für mich? Einen Weg aus dieser Misere? Würde sie mich überraschen, und ich würde bis zum Rest meines Lebens an diesen entscheidenden Augenblick denken
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