Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Autoren: Nelly Arnold
Vom Netzwerk:
Kinder mit zunehmendem Alter auch nicht gerade unkonventioneller wurden. Mir kam es vor, als hätte ich eine halbe Weltreise hinter mir. Nachdem ich von der U-Bahn in die S-Bahn umgestiegen war, schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Auf dem Weg von der S-Bahn zum Haus meiner Eltern dachte ich darüber nach und wunderte mich mit einem Mal, wie schleichend der Prozess der Verspießerung vonstattenging. Gerade eben warst du noch auf Rockkonzerten und hast Deep Purple gehört, und irgendwann wachst du auf und merkst, dass dir der Lärmpegel eines Rockkonzerts nicht mehr verlockend erscheint und du irgendwann die Klassik für dich entdeckt hast. Das Schlimmste aber ist, dass du die alten Bands mit ihrem Outfit und den langen Haaren nun auch ungepflegt und unreif findest, wie früher deine Eltern. Im ersten Moment mag diese Erkenntnis erschreckend sein, aber später nimmt man es hin und akzeptiert es. Dann kommt die Phase, in der man voll und ganz dazu steht, und ab da führt kein Weg mehr zurück.
    In ein paar Wochen würde ich meinen vierzigsten Geburtstag feiern, überlegte ich, und in ein paar weiteren Wochen stand der fünfzehnte Hochzeitstag bevor. Ich wusste nicht, was schlimmer war: seinen runden Geburtstag oder den fünfzehnten Hochzeitstag als Single zu feiern.
    Als ich mich dem Haus meiner Eltern näherte, wurde mir gleichzeitig heiß und kalt. Ich hatte mir keine Worte zurechtgelegt. Also drückte ich, ohne lange nachzudenken, auf die Klingel. Bereits nach ein paar Sekunden erklang der Summton, und das Tor öffnete sich. Ich ging durch den kleinen Garten, und schon wurde von innen die Tür aufgerissen. Meine Mutter stand in der Schürze da, hinter ihr mein Vater, und beide sahen zuerst mich, dann meine Koffer an. Sie wirkten, als würden sie vor den Trümmern ihres Lebens stehen.
    »Sag mir nicht, dass es das ist, wonach es aussieht«, flüsterte meine Mutter und hielt sich dann schockiert die Hand vor den Mund, während sie auf meine Antwort wartete.
    Ich hatte einfach keine Kraft, die richtigen Worte abzuwägen und sie zu schonen, denn schließlich war ich hier die Leidtragende. »Wir haben uns getrennt. Kann ich eine Weile bei euch bleiben, bis ich etwas Eigenes gefunden habe?«
    Das schien ein zu gewaltiger Informationsbrocken zu sein, den meine Mutter nicht so schnell verarbeiten konnte. Sie sah erst meinen Vater an, dann mich. Schließlich starrte sie auf die Koffer. Dann blickte sie wieder zu meinem Vater – und dann wurde es mir zu bunt. »Also was jetzt, ja oder nein?«
    Meine Mutter biss sich theatralisch auf die Lippe, so wie es die Schauspieler bei Dramen machen, wenn sie erfahren, dass sie aufgrund ihrer Rebellion die Todesstrafe erwartete.
    »Ihr versöhnt euch schon wieder, aber jetzt komm erst mal rein«, meinte mein Vater leichthin. Er klang beinahe gelangweilt, so als mache er das wöchentlich durch.
    Mein Gepäck ließ ich erst mal im Flur stehen. Ich folgte meinen Eltern in die Wohnküche, wo es nach Braten duftete.
    »Hast du schon gegessen?«, fragte meine Mutter, wäh rend sie den Tisch abräumte. Sie versuchte seit jeher sämtlichen Stürmen des Lebens durch Kochen zu trotzen. Vielleicht war sie deshalb etwas dicklich. Außerdem hatte sie die Begabung, einfache Unannehmlichkeiten zu Katastrophen zu erklären. Unvergessen blieb das Weihnachtsfest, als die Gans zu lange im Ofen war. Meine Mutter hatte sich mit Tante Ursula verratscht. Der angebrannte Vogel überschattete die Feiertage, und meine Mutter hatte bei dem Wort Gans noch jahrelang Tränen in den Augen.
    »Ich hab keinen Hunger. Später vielleicht.«
    Mein Vater setzte sich auf die quietschende Eckbank und murmelte etwas, was sich anhörte wie: »verflixte Blagen.«
    »Wie bitte?«, hakte ich nach.
    »Was?«
    »Hast du etwas gesagt?«
    »Äh, ich sagte nur, ich fühle mich wie erschlagen.«
    »Na dann.«
    Meine Mutter wirkte etwas zerstreut. Sie nahm das Geschirr vom Tisch und räumte es in die Spüle. Dann zog sie sich die geblümte Schürze über den Kopf und setzte sich neben mich.
    »Hat er eine andere?« Sie kam also gleich zur Sache.
    »Er sagt Nein.«
    Mein Vater lachte verächtlich auf. »Was er sagt, hat nichts zu sagen, weil er es sagt und deshalb keine Bedeutung hat.«
    »Was?« Meine Mutter legte die Stirn in Falten. »Ich hab kein Wort von dem verstanden, was du gesagt hast.«
    »Na, es spielt doch gar keine Rolle, was er sagt.«
    »Wieso?«
    »Überleg doch mal, Gisela. Es ist doch so …«
    »Okay, Leute.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher