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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Autoren: Nelly Arnold
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schleifen und ihn schließlich abzuschütteln.
    Robbi hätte sagen sollen: »Ich habe es satt, einen Trottel aus mir zu machen, also hau ab!« Vielleicht wäre Antje dann bei ihm geblieben. Und ich hätte Christoph ansehen und sagen sollen: »Wahrscheinlich sollte ich dir dankbar sein. Ich glaube, mein Leben wird ohne dich viel besser sein.«
    Aber seien wir doch ehrlich. Wer tut so was? Stolz und Würde sind vergessen. Die Verzweiflung bahnt sich ihren Weg, ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist wie bei einem Menschen, der eine Hundephobie hat und einem unangeleinten Rottweiler begegnet, dessen Besitzer nicht Besseres zu sagen hat als: »Sie dürfen keine Angst haben, sonst greift er an.«
    Ich verlor jedes Zeitgefühl. Saßen wir seit fünf Minuten am Küchentisch oder seit fünf Stunden?
    »War’s das jetzt? Ist es vorbei, einfach so?«, presste ich bange hervor.
    Christoph nickte, lächelte beschwichtigend und schloss für ein paar Sekunden die Augen. »Wenn eine gewisse Zeit vergangen ist, wird es nicht mehr so wehtun, und du wirst sehen, dass es das Beste war.« Er hörte sich an wie ein Bademeister, der einem Kind auf dem Zehnmeterbrett gut zuredet.
    Christoph gab sich alle Mühe, traurig zu wirken, aber nach den vielen gemeinsamen Jahren kannte ich ihn gut genug, um zu erkennen, wie erleichtert er in diesem Moment war.
    Mit dem Handrücken trocknete ich die Tränen. »Soll ich ausziehen, oder wie hast du dir das vorgestellt?« Im nächsten Augenblick wurde mir klar, dass das eine dämliche Frage war. Die Altbauwohnung hatte schon seinen Großeltern gehört, die sie Christophs Vater vererbt hatten, und irgendwann würde sie in Christophs Besitz übergehen.
    »Hör mal, Lyn. Ich verlange doch nicht von dir, dass du gleich ausziehst. Sieh dich erst mal um, und ich kann dir auch helfen, dich zurechtzufinden.«
    »Nein, danke.« Ich musste mich anhören wie ein trotziges Kind, aber ich konnte einfach nicht anders. Also ging ich ins Schlafzimmer, packte meine Kleidung und Schuhe in zwei Koffer und warf obendrauf mein Make-up, das ich im Bad schnell zusammenklaubte. Die Tränen kamen wieder, doch dieses Mal wischte ich sie einfach weg. Christoph stand in der Schlafzimmertür. »Aber wo willst du denn hin, so plötzlich? Lass uns doch noch mal alles in Ruhe bereden.«
    »Bereden? Ich habe leider nicht den Nerv für organisatorische Fragen und Terminplanung. Ich gehe. Das sollte dich doch freuen. Zumindest wird der Sonntag nicht langweilig für dich.« Ich lief an ihm vorbei, die Koffer hinter mir herziehend.
    »Jetzt sei doch nicht kindisch, Lyn. Wir können das doch wie Erwachsene regeln.«
    »Den Rest hole ich bei Gelegenheit.«
    »Aber wo willst du denn hin? Zu Antje? Wo soll sie dich denn unterbringen, mit drei Kindern in einer Dreizimmerwohnung?«
    Ich zog meinen Mantel an. »Ist mir schon klar. Ich habe nicht vor, zu Antje zu gehen. Außerdem hat Egge eine schwere Grippe. Das fehlt mir gerade noch.« Egge war Ant jes Mann, und ich liebte ihn fast so wie Antje. Weil er so auf richtig war und eine ungeheure Güte in sich trug, ohne etwas von seiner Männlichkeit einzubüßen.
    »Ach, Lyn«, seufzte Christoph.
    »Ach, Christoph«, seufzte ich zurück.
    »Wie konnte das nur passieren?«
    »Sag du’s mir, Arschloch.« Das letzte Wort konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Christoph hasste vulgäre Aus drücke. Vielleicht tat ich es gerade deshalb. Als wir jung waren, nannte ich unsympathische Menschen schon mal Hohlkopf oder Drecksack. Das musste ich mir damals abge wöhnen. Christoph nannte sie lieber Rohlinge oder Snobs.
    Mit Schwung riss ich die Tür auf, warf ihm einen letzten, verzweifelten Blick zu und schob meine Koffer in den Hausflur. Ich knallte die Tür hinter mir zu. Die Tränen tropf ten auf die Stufen, bis ich endlich unten ankam. Ich stellte mir die sinnloseste, aber naheliegendste aller Fragen: Womit habe ich das bloß verdient? Es ist doch so: Die Menschen denken, dass Selbstmitleid etwas Schlechtes sei. Das habe ich immer für einen Fehler gehalten. Wer Selbstmitleid empfindet, ist wütend auf Menschen, die einem Leid zufügen und einen schlecht behandeln, obwohl man es nicht verdient hat.
    Mit jedem Schritt Richtung U-Bahn-Station weinte ich mehr, mittlerweile laut. Ich konnte mich einfach nicht zurückhalten. Die Leute starrten mich an, und ich war wütend auf mich selbst, weil jeder mitbekommen musste, dass ich gerade meinen Mann verließ. Eine Frau, weinend, mit zwei Koffern am Sonntag zur
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