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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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hast du gehört?“
    „Ja, und ich hatte schreckliche Angst. Was sollte ich tun? Ich war ja allein …“
    Mir entging nicht, daß Griffo ihr einen spöttischen Blick zuwarf. Die Romilda nahm aber keine Notiz davon. Obwohl sie ihre Angst beschwor, lächelte sie, wobei sie immer wieder die Tunika straffzog. Das eitle Geschöpf genoß es, dort oben zu stehen, als Zeugin in einem Mordprozeß, und von der Menge begafft zu werden.
    „Nun denn, so wollen wir jetzt den Tobias selber fragen“, entschied der Comes. „Komm her und gib Antwort! Warum gingst du gleich zweimal an diesem Tage zum Bischof Pappolus? Was war dein Anliegen?“
    Der Jude hatte bis jetzt die Verhandlung mit der Beherrschung eines stoischen Philosophen verfolgt. Nun trat er gemessen zwei Schritte vor und verneigte sich gegen den Comes.
    „Gnädiger Herr!“ sagte er mit einer hellen Stimme, die in seltsamem Gegensatz zu seiner gewichtigen Erscheinung stand. „Es war die Not, die mich zu ihm führte. Die Schiffe liegen unten am Fluß, für uns Kaufleute ist es höchste Zeit. Das Eis schmolz dieses Jahr spät, wir sind im Verzug. Die Segler im Hafen von Marseille werden nicht auf uns warten. Wie aber, edler, gütiger Herr, soll ich aus Ägypten und Arabien neue Waren herbeischaffen, wenn ich nicht pralle Beutel voll Geld mit mir bringe? Werden sie mir dort feine Tuche, Gewürze, Glas und Duftstoffe verkaufen – alles, was die Edlen und ihre Damen hier schätzen und lieben –, wenn ich nicht habe, was sie dafür begehren: Denare, Solidi, Mancusen, Silber und Gold? Doch leider … ich habe mehr Schuldbelege als Geld! Vieles, was ich im Herbst geliefert habe, ist noch nicht bezahlt! Dabei bin ich den ganzen Winter lang herumgelaufen, bin vor einigen Herren – Ihr wißt es – sogar auf die Knie gefallen. Seht … hier ist aufgeschrieben, was mir der edle Herr Pappolus schuldig war …“
    Der Jude zog ein zusammengerolltes Pergament aus der Tasche, löste das Bändchen und hielt das Blatt dem Comes unter die Augen.
    „Zwanzig Solidi für Seidengewänder … fünfunddreißig für Tafelgeschirr … zehn für einen Teppich … hier habt Ihr ein Schwert, ein Kohlebecken, einen zwölfarmigen Leuchter, den seltenen Vogel, septimanischen Wein …“
    „Und für das alles war er dir noch die Bezahlung schuldig?“ fragte Herr Magnulf in ungläubigem Tonfall.
    „Für alles!“ bestätigte Tobias. „Es sind genau zweihundertfünfzehn Solidi. Er sagte mir jedesmal, er warte noch auf die Einkünfte seiner burgundischen Güter. Ich drängte, ich mahnte. Die Zeit der Ausfahrt kam näher. Vor zwei Tagen ging ich noch einmal hin, doch er war nicht zu Hause. Da versuchte ich es am selben Abend ein zweites Mal …“
    „Und du wurdest empfangen und konntest dein Anliegen vorbringen“, sagte der Comes und starrte den Juden düster an. „Aber statt dies demütig und respektvoll zu tun, verlorst du die Beherrschung!“
    „Ich habe ihn nicht getötet, gnädiger Herr!“ rief der Kaufmann. „Warum hätte ich so etwas tun sollen?“
    „Du bekamst doch auch diesmal kein Geld.“
    „Aber was hätte es für einen Sinn gehabt …“
    „Gestehe, daß du sehr zornig wurdest! Die Romilda und der Koch haben dich schreien gehört.“
    „Ich habe gebeten und gefleht!“
    „Vielleicht auch ein bißchen gedroht?“
    „Gedroht? Wie hätte ich einem so mächtigen Herrn denn drohen können? Ich habe ihm nur gesagt, ich könne nun nicht mehr länger warten … müsse mein Anliegen vor den Richter bringen … vor Euch, den Vertreter des Königs. Der Herr König, der Beschützer der Kaufleute und auch der Leute meines Volkes, werde mir zu meinem Recht verhelfen.“
    „Und was antwortete dir der edle Pappolus?“
    Tobias zögerte einen Augenblick. Ich hatte den Eindruck, es geniere ihn, die Antwort des Bischofs wiederzugeben.
    „Nun? Nun?“
    „Er hatte schon sehr viel Wein getrunken. Vielleicht war es auch nicht ganz ernst gemeint.“
    „Was sagte er?“
    „Er sagte, was ich auch unternähme … er werde mir überhaupt nichts bezahlen.“
    „Nichts?“
    „Er sei zu der Ansicht gekommen, sagte er, daß es gerecht sei, wenn ein Jude einem Bischof seine Ware umsonst gebe. Er wolle deshalb die zweihundertfünfzehn Solidi als Wergeld {6} betrachten.“
    „Als Wergeld?“
    „Für den Tod des christlichen Heilands. Zu zahlen an seine legitimen Nachkommen, die Herren der Kirche.“
    „Doch damit warst du nicht einverstanden.“
    „Wie konnte ich? War denn
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