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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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gewaltsamen Ende ist sicher auch bis zu Euch gedrungen. Ich halte mich dennoch an die mir selbst gestellte Regel, das Amtsgeheimnis auf diese Weise zumindest der Form nach zu wahren.
    Es war Anfang Mai, als wir eines Vormittags – die Glocken läuteten gerade zur Terz {3}  – das Tor der bedeutenden Stadt erreichten, deren kupfergedeckte Türme und Hausdächer uns schon seit dem frühen Morgen entgegengeleuchtet hatten. Sie ist der Hauptort des Comitats, das wir als erstes von dreien auf unserer diesjährigen Reise besuchten. Wie die meisten größeren Städte zwischen Rhein und Loire steht auch diese unter einer Art Doppelherrschaft, die sich der Comes {4} und der Bischof teilen. Den Comes kannten wir schon. Er hieß Magnulf und war jener alte, knochenmorsche Lebemann, der uns so schmählich im Stich ließ, als wir den Pater Diabolus und seine Mönchsbande jagten. In letzter Zeit hatte der Fiskus kaum noch Steuern und Bußgelder von ihm empfangen, und so wünschte der Herr Kämmerer dringend, wir möchten ihm einmal die Taschen ausklopfen. Ich gestehe, daß uns dieser Auftrag mit Genugtuung erfüllte, denn der edle Magnulf hatte uns damals – in Form eines Beschwerdebriefs an den Herrn König – mit vollen Händen Dreck hinterhergeworfen. Nachsicht unsererseits hatte er also nicht zu erwarten. Wir freuten uns schon auf das bestürzte Gesicht des alten Wüstlings bei unserer Ankunft, von der wir ihn absichtlich nicht benachrichtigt hatten.
    Was den Bischof betraf, so war auch er bei Hof nicht gut angeschrieben. Der Herr Erzkaplan hatte mich extra seinetwegen zu sich gerufen und mir eine strenge Überprüfung seiner Amtsführung nahegelegt. Es hieß, dieser Pappolus lebe mit einer aus Italien stammenden Kebse {5} , lasse sich die Weihe von Priestern teuer bezahlen und leihe sogar auf Zins. Außerdem predige er nicht nach den kanonischen Texten und erfinde Namen von Engeln, die kirchlich nicht autorisiert seien. Über dies alles sollte ich nun von ihm Rechenschaft fordern.
    Nach den ersten Worten, die wir mit einem der Torwächter wechselten, wußte ich allerdings schon, daß sich dieser Teil meines Auftrags erledigt hatte.
    „Er ist tot, Vater“, sagte nämlich der Mann, als ich ihn fragte, ob wir den Bischof antreffen würden.
    „Tot?“ rief ich. „Aber er war doch noch nicht sehr alt! Ist er an einer Krankheit gestorben?“
    „Umgebracht wurde er.“
    „Was sagst du da? Wann und wie ist das geschehen?“
    „Wann? Vor zwei Tagen. Und wie? Mit einem Messer. In seinem eigenen Hause, beim Nachtmahl.“
    „Und kennt man den Mörder?“
    „Man kennt ihn.“
    „Wer ist es?“
    „Ein Jude. Nennt sich Tobias. Einer aus dem vicus da unten, der Kaufmannssiedlung.“
    „Und wurde der Jude gefaßt?“ fragte Odo, mein Amtsgefährte.
    „Gefaßt und eingesperrt, edler Herr. Gleich nach der Tat. Und gerade jetzt steht er vor seinem Richter, dem Comes.“
    „Wie? Gerade jetzt? Wo tagt das Gericht?“
    „Folgt der Hauptstraße bis zum Alten Forum der Römer. Dann haltet Euch links. Dort ist es, gleich neben der Kirche, unter den Säulen.“
    Natürlich verloren wir keine Zeit. Es war sozusagen ein trauriger Glücksfall, daß wir auf diese Weise gleich Gelegenheit bekamen, an einer Gerichtsversammlung teilzunehmen. Als Kommissare des Königs der Franken sind wir ja hauptsächlich ausgezogen, um die Rechtsverhältnisse zu überprüfen, wo es die meisten Mängel und Mißbräuche gibt. Hinzu kam, daß das Opfer ein Großer war, ein Bischof unserer heiligen Kirche, gegen den ein Ungläubiger die frevelnde Hand erhoben hatte. Wahrhaftig, das ging uns an!
    Mit Getöse, unter Hufgetrappel und Waffengeklirr, hielten wir Einzug. Vorn ritt Odo auf seinem schlanken Grauschimmel Impetus. Die Nase achtunggebietend erhoben, schwarzhaarig, schnurrbärtig, das glänzende Schwert an der Seite, mit wehendem, leuchtendrotem Mantel gab er das passende äußere Bild zu unserem Anspruch, Stellvertreter des Königs zu sein. Klein, rund und etwas weniger eindrucksvoll in meiner Mönchskutte hielt ich, heftig mit Schenkeln und Waden arbeitend, auf meinem Eselshengst Grisel den Anschluß. Die vier Getreuen unseres Wachtrupps folgten: Heiko, der starke, blonde Sachse als Anführer; Fulk, der schon graue, doch immer noch respekteinflößende Eisenfresser mit der flammenden Narbe über der Stirn; die beiden strammen, behelmten, über und über mit Speeren, Beilen, Schwertern und Dolchen beladenen Burschen, die wir unsere ‚Recken‘
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