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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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das ausgemacht? Soll ich, ein unbescholtener Kaufmann, Wergeld zahlen für einen Mann, der vor mehr als sieben Jahrhunderten getötet wurde?“
    Diese – wie man zugeben muß – berechtigte Frage erregte unter den Zuhörern auf dem Platz wieder Heiterkeit. Da die schwache Stimme des Tobias nur die in der Nähe Stehenden erreichte, gaben sie die Worte nach hinten weiter, wo man sie wiederum weitersagte, und so setzte sich das Gelächter wellenförmig über den ganzen Platz fort. Sallustus schrie etwas in die Menge, aber der Comes schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. Er wandte sich wieder an den Juden.
    „Du beharrtest also auf deiner Forderung.“
    „Konnte ich anders, gnädiger Herr?“
    „Nun wurdest du aber allmählich wütend.“
    „Nicht ich. Der Herr Pappolus wurde wütend. Er warf mir sogar die Knochen seines Mahls an den Kopf, wovon das Gepolter zu hören war.“
    „Da suchtest du dich zu wehren und erwischtest das Messer.“
    „Oh nein, Herr! Ich wich nach der Tür zurück, denn ich sah ein, daß ich nichts mehr erreichen würde. Ich wollte gehen.“
    „Aber du bliebst!“
    „Er rief mich zurück. Der Herr Pappolus war mal Regen, mal Sonne. Plötzlich sprach er wieder ganz sanft zu mir. Er sagte: ‚Du tust mir leid, Jude, weil du verdammt bist. Deshalb will ich barmherzig sein und auf das Wergeld verzichten. Nicht von mir gehen sollst du auch, ohne zuvor eine milde Gabe empfangen zu haben!‘ Bei diesen Worten goß er den letzten Tropfen Wein aus der Kanne in einen Becher, schob mir die Kanne zu und sagte: ‚Nimm sie!‘ Und von den geleerten Schüsseln nahm er drei Löffel und sagte: ‚Auch die! Nimm sie hin und verschwinde!‘“
    „Du behauptest noch immer, daß er dir selbst die silberne Kanne und die drei goldenen Löffel gab, die wir bei dir gefunden haben?“
    „Ja, denn es war so.“
    Der kleine Priester rief „Lüge!“ und stieß ein höhnisches Lachen aus.
    „Ich vermute, Tobias“, sagte der Comes, „du hattest jetzt nur noch eines im Sinn: diese ‚Geschenke‘ rasch fortzubringen …“
    „Sollte ich zögern, gnädiger Herr? Es war dies zwar nur ein Bruchteil dessen, was mir zustand, aber doch immerhin mehr als nichts. Ich hatte ihm diese Stücke selber verkauft, schon vor längerer Zeit. So nahm ich sie jetzt anstelle des Geldes.“
    „Aber um sicherzugehen, daß er es sich nicht anders überlegte, ergriffst du ein Messer und stießest es ihm in den Rücken!“
    „Nein, nein!“ rief der Jude. „Warum denn? So war es nicht! Ich zog mich zurück, habe ihn nicht angerührt! Zuvor nahm ich aber noch einen Griffel und einen Kodex, der da herumlag, und schrieb eine Quittung.“
    „Das hast du dir hinterher ausgedacht. Man hätte den Kodex ja finden müssen.“
    „Jemand muß ihn entwendet haben.“
    „Ha!“ schrie Sallustus. „Beschuldigst du mich?“
    „Ich beschuldige niemand …“
    „Ich habe keinen Kodex, dafür aber einen Leichnam gefunden!“
    „Das kann ich mir nicht erklären.“
    „Und warum hattest du es plötzlich so eilig?“ fragte der Comes.
    „Er hatte mir doch gesagt: ‚Verschwinde!‘ Jetzt winkte er wieder, ich solle gehen. Solange ich bei ihm war, hatte er gegessen und getrunken … nun war er schläfrig geworden, sein Kopf sank ihm auf die Brust. Ich verbeugte mich also und trat hinaus in die Halle. Als ich aber die Tür öffnen wollte, bemerkte ich, daß sie verschlossen war.“
    „Sie war offen!“ fuhr wieder Sallustus dazwischen. „Und hätte er ein reines Gewissen gehabt, wäre er durch die Tür hinaus auf das Forum gegangen und hätte den heiligen Bischof gepriesen … für seine Güte und seine Großzügigkeit. Was aber tat er statt dessen? Er schlich davon! Er verdrückte sich durch die Hinterpforte! Er floh!“
    Tobias gab heftige Zeichen des Widerspruchs, setzte auch zu einer Entgegnung an, aber der kleine Priester war jetzt im Schwung. Seine Stimme erhob sich wie eine Kriegstrompete über das Gezirp einer Grille.
    „Ich sage Euch jetzt, wie es wirklich war, gnädiger Herr! Der Herr Bischof hat endlich genug von dem lästigen Gast und fordert ihn auf zu verschwinden. Vielleicht sagt er: ‚Komm morgen noch einmal wieder!‘ Vielleicht aber auch nur: ‚Geh zur Hölle!‘ Doch der Jude hat sich nun einmal vorgenommen, nicht von der Stelle zu weichen! Er drängt, er droht, er wird unverschämt. Der edle Herr Pappolus sieht sich nach Hilfe um. Er ist allein, keiner der Hausgenossen ist bei ihm. In seiner Verzweiflung nimmt er
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