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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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ungeniert Ansichten ausgetauscht und die verschiedensten Vermutungen geäußert. Dabei bekamen wir eine Ahnung, daß dieser Fall ein paar Untiefen hatte, um die man in der Verhandlung sorgsam herumgeschifft war.
    „Glaubst du wirklich, daß es der Jude war?“
    „Eigentlich kann er's nicht gewesen sein.“
    „Stimmt, dazu ist er viel zu schlau. Der weiß, 'ne geschlachtete Kuh gibt keine Milch mehr.“
    „Vielleicht war's tatsächlich der Sallustus. Der ist doch ganz wild darauf, Bischof zu werden.“
    „Ach, der denkt doch, er schafft's mit Beten und Kniebeugen.“
    „Meiner Meinung nach war es der Koch. Irgendwo hatte er sich versteckt, und als der Jude gegangen war …“
    „Es heißt ja, der Bischof wollte ihn fortjagen. Weil er stiehlt wie 'ne Elster … alles, was glänzt …“
    „Den Griffo fortjagen? Das hätte Pappolus nie gewagt!“
    „Warum denn nicht?“
    „Denk mal an seinen Neffen!“
    „Na, das könnte auch die Romilda gewesen sein. Die hat doch sogar schon einen Erzbischof auf dem Gewissen.“
    „Den hatte sie totgehurt, das war leichter.“
    „Wenn die Mutter des armen Jungen noch hier wäre, hätte sie einige schon zum Teufel geschickt.“
    „Ja, Pappolus wußte, warum er die Fausta ins Kloster steckte.“
    „Es heißt doch, daß sie freiwillig ging. Aber aus Wut!“
    „Vielleicht kommt sie zurück. Jetzt, wo er hin ist …“
    „Dann bleibt der Kebse nur das Kirchenasyl.“
    „Teut sagt, die hätte 'nen Wasserfall um den Alten geheult.“
    „Und was ist mit Teut? War der wirklich die ganze Zeit in der Schenke?“
    „War er. Wir haben gewürfelt, bis Griffo ihn holte, 'n ehrlicher alter Friese, der Teut.“
    „Denk daran, daß die Friesen den Bonifatius umgebracht haben.“
    „Ja, weil er ihre Gemütlichkeit störte. Der Teut würde eher dem Sallustus den Hals umdrehen. Fromme Eiferer kann der nicht leiden.“
    „Was habt ihr nur gegen den Sallustus? Ich fand es richtig, wie er's dem Juden gegeben hat!“
    „Ach, der Tobias ist gar nicht so übel. Er hat nur einen einzigen Fehler. Er will nicht glauben, daß Gott gegen salisches Recht verstoßen und mit einer Jungfrau 'nen Sohn gezeugt hat!“
    „Du glaubst es wohl auch nicht, du Heidenlümmel?“
    „Halt's Maul! Mich legst du nicht 'rein! Bin ordentlich getauft …“
    So also redete dieses freche Stadtvolk und scherte sich nicht einmal um meine Mönchskutte.
    Inzwischen war unter den Säulen die Ordnung einigermaßen wiederherstellt. Der Comes hatte jedoch keine Lust, mit einer Verhandlung fortzufahren, die vielleicht noch unerfreuliche Überraschungen an den Tag gebracht hätte. Wir sahen ihn schon mit den Schöffen reden. Auch der Sallustus und ein paar andere Geistliche, wohl Chorherren der Bischofskirche, drängten zur Beratung. Odo neigte sich zu mir.
    „Freust du dich auch schon, Vater? Gleich werden wir ihn erwischen.“
    „Meinst du den Magnulf? Wobei erwischen?“
    „Bei einem Willkürurteil aus Habgier.“
    „Schon möglich. Aber sollten wir das nicht lieber verhindern? Noch ist es Zeit!“
    „Wozu? Nichts ist vergnüglicher, als einen Gauner auf frischer Tat zu ertappen.“
    „Aber wenn erst ein Unschuldiger verurteilt ist …“
    „Nun, ganz unschuldig ist er ja nicht. Gestohlen hat er auf jeden Fall.“
    „Davon bin ich nicht überzeugt.“
    „Hast du je von einem Bischof gehört, der Gold und Silber verschenkte?“
    „Er war betrunken.“
    „So betrunken kann ein Bischof nicht sein.“
    „Als Gläubiger hielt sich dieser Tobias …“
    „… zu einem kleinen Diebstahl berechtigt. Gleich wird er sehen, was er davon hat. Jetzt hat er die großen Diebe am Hals. Paß auf!“
    Der Comes schwenkte seinen Richterstab, und als Ruhe eintrat, verkündete er mit heftig knarrender Stimme das Urteil. Es lautete wie folgt:
    Wegen erwiesenen heimtückischen und grausamen Mordes an der geheiligten Person des Bischofs Pappolus habe Tobias, Sohn des Ezechiel, Jude und Handelsmann, als Buße ein Wergeld von eintausendzweihundert Solidi zu zahlen. Diese Summe sei vollständig bis zum Ablauf einer Woche, vom Tage der Urteilsverkündung gerechnet, durch die Verwandten des Verurteilten beim Comes Magnulf zu hinterlegen. So lange sei der Tobias in Haft zu halten. Erfolge die Zahlung nicht pünktlich, werde die Haft verlängert, das Wergeld aber um wöchentlich sechzig Solidi erhöht. Nach zehn Wochen werde, falls nicht die ganze bis dahin aufgelaufene Buße entrichtet sei, der gesamte Besitz der Familie des
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