Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
die ersten besten Wurfgeschosse, die abgenagten Knochen des Bratens. Mit dem Ruf ‚Weiche, Satanas!‘ schleudert er sie nach seinem Bedränger. Der aber denkt auch jetzt nicht daran zu weichen. Sein gieriger Blick hat längst die Kostbarkeiten auf dem Tische des Bischofs erspäht: eine silberne Kanne und goldene Löffel. Sein Entschluß ist gefaßt – er greift zu. Der heilige Mann will ihn daran hindern. Da packt der Unhold das Messer und sticht ihn kaltblütig nieder. Nun heißt es: Nichts wie fort! Natürlich nicht durch die Haustür. Noch ist es hell, der Platz ist belebt. Man könnte auf ihn aufmerksam werden, wie er davonschleicht – unsteten Blickes, das Raubgut unter dem Mantel versteckt. Zu seinem Glück weiß er im Hause Bescheid. Es gibt eine Gartenpforte, die auf die schmale, stille Gasse hinausführt. Er eilt durch den Garten, entriegelt die Pforte, tritt auf die Gasse hinaus. Da erstarrt er plötzlich zur Salzsäule. Jemand kommt ihm entgegen – ich selbst! Ich kehre gerade von meinem Kranken zurück, habe den kürzesten Weg durch die Gasse genommen. Trotz des Schrecks bewahrt er mit Hilfe des Teufels die Ruhe. Grüßt und buckelt und macht, daß er fortkommt. Natürlich packt mich sofort der Argwohn. Ich trete durch die offen gebliebene Gartenpforte. Da ich mich frage, warum sich der Jude durch den Hinterausgang davonstiehlt, eile ich durch die Halle nach der Haustür, und siehe da – sie ist unverschlossen! Eine schreckliche Ahnung steigt in mir hoch. Die Tür des Speisezimmers ist angelehnt. Ich trete ein. Welch ein Anblick! Der Tisch verwüstet, der ehrwürdige Vater zusammengesunken auf seinem Stuhl, blutüberströmt, das Messer im Rücken …“
    Sallustus griff sich ans Herz, verdrehte die Augen und wankte. Aber Teut, der hinter ihm stand, packte ihn mit einer Faust am Gewand und hinderte ihn, in Ohnmacht zu fallen.
    Tobias benutzte den günstigen Augenblick, um wieder das Wort zu nehmen. „Aber so war es nicht, gnädiger Herr! Als ich fortging, war der edle Herr noch am Leben! Und was die Haustür betrifft … sie war verschlossen! Ich ging noch einmal zurück ins Speisezimmer, um den Herrn Pappolus zu bitten, daß man mir öffne … aber er war schon fest eingeschlafen. Da kam ich auf den Gedanken, durch den Garten … über die Gasse …“
    „Die Tür war offen!“ schrie Sallustus. „Dieser friesische Trunkenbold von Türsteher hatte sie aus Versehen offengelassen! Wenn Ihr nur zehnmal Luft holt, gnädiger Herr, habt Ihr genau die Zeit, die ich brauchte, um von der Gartenpforte, wo ich den Juden fliehen sah, in die Halle und an die Tür zu gelangen. Sollte der angeblich nur schlafende Bischof, der einzige, der noch einen Schlüssel besaß, sich inzwischen erhoben – zur Tür begeben – diese aufgeschlossen und Luft geschöpft – den Schlüssel zurück an den Gürtel gehängt – sich wieder ins Speisezimmer verfügt – und sich dort ein Messer genommen und selbst in den Rücken gestoßen haben? Wollt Ihr an einen solchen Teufelsspuk glauben? Wollt Ihr Euch das von einem weismachen lassen, der zu einem Volk von Lügnern gehört? Zu Leuten, die der heilige Hilarius von Poitiers ein Schlangengezücht und Knechte der Sünde nannte? Die der heilige Augustinus als neunundneunzigmal schlechter als jeden anderen Menschen bezeichnet, und die …“
    „Aber ich habe es nicht getan!“ Die helle Stimme des Tobias wurde jetzt schrill. „Wenn ich so schlecht sein soll, dann beweist es doch! Heißt es nicht auch bei euch Christen, man solle nicht leichtfertig falsches Zeugnis reden? Dieser da redet falsches Zeugnis! Hat er gesehen, wie ich mordete? Waren nicht noch andere im Haus, die es tun konnten? Und konnte er es nicht selber tun, als er hineinging und den Herrn Pappolus friedlich schlummernd auf seinem Stuhl sah? Vielleicht hatte er einen Grund …“
    Weiter kam er nicht. Sallustus stieß einen Entrüstungsschrei aus und wollte sich auf ihn stürzen. Teut, der Koch und zwei Schöffen hatten Mühe, ihn zurückzuhalten. Auch andere Herren unter den Säulen empörten sich über den Angeklagten, der sich erfrechte, von der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Einige riefen laut, es sei nun genug, man wisse alles, und der Comes solle das Urteil verkünden.
    Die Menge auf dem Platz enthielt sich dagegen einer klaren Parteinahme. Dieses Stadtvolk hat einen frischen, scharfen Verstand und ein loses Mundwerk. Um uns herum, sogar über unsere Köpfe und Schultern hinweg wurden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher