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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt
Autoren: Gregg Hurwitz
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fallengelassen. Nachdem es keinen Keith mehr zu schützen galt, wollte Summit Films so wenig wie möglich mit mir zu tun haben. Wenn man nicht mal mehr gegen dich prozessieren will, dann weißt du, dass du echt tief gesunken bist. Nachdem ich meine ganzen Anwaltskosten addiert hatte, landete ich bei einem Betrag, der sich ziemlich genau mit meinem Honorar für das Drehbuch von
They’re Watching
deckte.
    Der Film hatte vier Wochen zuvor Premiere gehabt, aber es war kein großer Knaller, sondern nur ein klägliches Wimmern gewesen. Am Ende der zweiten Woche brachte ich die Courage auf, ihn mir anzusehen. Ich kam mir vor wie ein masturbierender Perverser in einem Pornokino, als ich in der letzten Reihe des leeren Kinos saß. Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Obwohl nichts Respektloses über Keith geschrieben wurde, waren die Kritiken vernichtend. Vorhersagbare Handlung, triviale Dialoge, blutleere Charaktere, steroidbenebeltes Tempo, konfuse Schnitte. In seiner ganzen Stümperhaftigkeit fast schon wieder ein Meisterstück. Kenneth Turan äußerte die Vermutung, das Drehbuch könne von einem Softwareprogramm verfasst worden sein.
    Als mein Name im Abspann erschien, ging es mir wie vielen Möchtegernsängern, die sich bei American Idol in die erste Runde geheult haben: Ich erkannte, dass ich einfach nicht besonders gut war. Von diesem Dreh gefeuert zu werden, gehörte im Grunde zum Besten, das mir jemals passiert war. Ich war so nahe dran gewesen, alles wegzuwerfen, was ich mir aufgebaut hatte, nur weil ich mir nie die Mühe gemacht hatte, mir die Träume meiner Kindheit noch einmal kritisch anzusehen. Im Grunde hatte ich sie ja sowieso schon nicht mehr geträumt.
    Ich sehe mir Filme lieber an, statt ihre Drehbücher zu schreiben.
    Ich unterrichte lieber.
    Auf dem Rasen bleibe ich stehen und mache die Augen wieder auf. Ich drehe mich um, um auf die Schule zu blicken, und sehe mein eigenes Spiegelbild im Fenster der Kapelle. Khakihose und ein Hemd von Macy’s. Ein abgewetzter Rucksack baumelt an meiner Hand. Patrick Davis, der High-School-Lehrer. Zu guter Letzt war ich also wieder da gelandet, wo ich angefangen hatte.
    Aber nicht ganz.
    Ich steige in meinen Camry. Das Wageninnere ist ein bisschen angesengt von der Blendgranate, aber nicht allzu sehr – das Schlimmste hatte ja mein Gesicht abgefangen. Ein neues Auto kann ich mir noch nicht leisten, aber ich habe die Knöpfe und Anzeigen am Armaturenbrett reparieren lassen und mir geschworen, dass ich nie wieder auf sie einhämmern werde.
    Nachdem ich das Jobangebot wie einen Schatz im Handschuhfach verstaut habe, steuere ich über den Sunset Boulevard heimwärts. Der Wind bläst durch mein offenes Fenster und zerzaust mir das Haar. Ich sehe die Anwesen hinter ihren Gitterzäunen vorüberziehen, und ich überlege mir nicht mehr, wie es wohl wäre, dort zu wohnen.
    Mein Leben ist nicht mehr
Staatsfeind Nr. 
1
.
Und auch nicht mehr
Bodyheat – Eine heißkalte Frau
oder
Das Glücksprinzip.
    Es ist
mein
Leben.
    Ich halte bei der Reinigung an, um die Wäsche abzuholen, und nicke dem Angestellten zu, der seinen Blick eine Sekunde zu lang auf meinem Gesicht ruhen lässt. Die Leute sehen mich jetzt anders an, aber das legt sich auch schon wieder. Wenn Ruhm in L.A. unbeständig ist, dann ist die Schande noch schneller vergessen. Trotzdem ist es noch nicht wieder ganz wie früher. Das wird es auch nie wieder sein. Manchmal wache ich nachts mit einer Panikattacke auf. Und ab und zu bricht mir doch noch der kalte Schweiß aus, wenn ich den Briefkasten aufmache oder die Morgenzeitung aufschlage. An den meisten Tagen, wenn es zu still ist – oder nicht still genug –, wandern meine Gedanken zu meiner Frau, wie sie gefesselt im Hinterzimmer jenes Hauses gefangen gehalten wurde. Wie sie versucht hatte, ihre Peiniger zu bekämpfen. Wie sie ihre Zähne in DeWitts Arm gegraben hatte, als er sie knebelte. Wie sie in ihrer bodenlosen Angst zu wissen glaubte, dass sie sterben würde.
    Sally wurden bei ihrer Beerdigung die Ehren einer Heldin zuteil. Für mich sind Helden immer öfter ganz normale Menschen, denen wichtig ist, was sie tun, und nicht, was sie dafür bekommen. Als ihr Sarg in die Grube gesenkt wurde, war ich todtraurig. Ich bezweifle, dass mir noch einmal so eine Mischung aus Gelassenheit und ironischem Scharfsinn begegnen wird. Ihr Sohn wird von einer Cousine adoptiert. Die Rentenanstalt der Polizei prüft gerade den Fall Valentine, und wie es aussieht,
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