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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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Prolog
    9. Juni 1995
    D as Telefon klingelte. Schon wieder.
    Ich sah vom Innenspiegel weg und blickte mit finsterer Miene auf mein Handy, das auf dem Beifahrersitz neben einer Tüte Fritos und einem von Gillys Malbüchern lag und bimmelte. Es war noch keine zehn Minuten her, dass es zuletzt geklingelt hatte, und da nur drei Personen die Nummer kannten, war ich ziemlich sicher, wer es sein musste. Ich besaß dieses verfluchte Telefon zwar erst seit einem Monat, aber schon gestaltete es mein Leben immer schwieriger.
    »Diese Dinger werden sich nie durchsetzen«, brummte ich und drückte auf die blinkende Taste. »Ermittlungsbüro Toby Daye, Toby Daye am Apparat. Was ist denn jetzt schon wieder, Cliff?«
    Eine Pause entstand, bevor mein Verlobter, mit dem ich schon seit einer Weile zusammenlebte, verlegen fragte: »Woher wusstest du, dass ich es bin?«
    »Weil die Einzigen, die diese Nummer noch verwenden, Onkel Sylvester und Ms. Winters sind, und die beiden wissen, dass ich gerade mit einer Observierung beschäftigt bin, was bedeutet, dass sie mich nicht anrufen werden.« Es war mir noch nie besonders gut gelungen, wütend auf Cliff zu sein; die Worte mochten zwar von Verärgerung zeugen, mein Tonfall blieb aber durch und durch liebevoll. Ich habe wahrscheinlich eine Schwäche für Männer mit einem knackigen Hintern, die wissen, wie man Makkaroni kocht, und sechs Stunden täglich die Sesamstraße ertragen. Ich verlagerte das Telefon in die linke Hand, griff nach oben und drehte den Innenspiegel, um die Vorderseite des Restaurants im Blickfeld zu behalten. »Worum geht’s denn diesmal?«
    »Gilly wollte, dass ich dich anrufe. Ich soll dir sagen, sie liebt dich und hofft, dass du rechtzeitig zum Abendessen zu Hause bist und Eiscreme mitbringst. Schokolade wäre am besten.«
    Ich unterdrückte ein Lächeln. »Sie steht gerade neben dir, nicht wahr?«
    »N a – und ob. Wenn nicht, hätte ich einfach die Auskunft angerufen. Aber du weißt ja, wie sie ist. Sie hat Ohren wie ein Kaninchen.« Cliff kicherte. Unsere Zuneigung füreinander kam unserer Liebe für das kleine Mädchen nicht einmal nahe. »Weißt du, das hat sie von dir.«
    »Das trifft doch auf die meisten ihrer positiven Eigenschaften zu. Aber ja, klar, sie hat mein Gehör«, bestätigte ich und fummelte dabei am Spiegel herum. War das da eine Gestalt oder nur ein Fingerabdruck? Ich vermochte es nicht zu sagen. Der Mann, den ich gerade beschattete, war so viele Nummern zu groß für mich, dass er nackt eine menschenleere Straße hätte entlangschlendern und mich trotzdem davon abhalten können, ihn zu sehen.
    Schließlich gab ich meine Bemühungen auf, dem Spiegel Benehmen beizubringen, holte eine Sprühflasche mit grünlichem Wasser aus dem Handschuhfach und befeuchtete das Glas großzügig. Ob es nun an Erfahrung oder Intuition liegt, jedenfalls erkenne ich einen guten Sieh-nicht-her-Zauber, obwohl ich ihn nicht sehe. In diesem Fall war es ein sehr guter Sieh-nicht-her-Zauber, zumal ich ihn mit einem Sumpfwasserbann brechen musste. Das gehört zu der Sorte von Tricks, die Reinblütler sogar als noch erbärmlicher erachten als alles Menschliche .
    Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen, und es spielte jetzt keine Rolle, ob es ein billiger Zauber war, solange er trotzdem wirkte. Kaum berührte das Wasser den Spiegel, da geriet das Bild eines großen, rothaarigen Mannes ins Blickfeld, der unmittelbar vor dem Restaurant stand, das ich in den letzten sechs Stunden beobachtet hatte. Einer der Parkplatzangestellten brachte ihm einen schnittigen Sportwagen, und zwar in jener speziellen Rotschattierung lackiert, die teuren Fahrzeugen und dem Lippenstift von Prostituierten vorbehalten ist.
    Der Parkplatzangestellte konnte ihn sehen, ich hingegen war dazu nicht in der Lage gewesen; demnach verbarg er sich nur vor Fae-Augen. Er wusste, dass er verfolgt wurde.
    »Verflucht«, flüsterte ich und ließ die Flasche fallen. »Cliff, der Kerl, hinter dem ich her bin, ist gerade aus dem Restaurant gekommen. Ich muss los. Sag Gilly, dass ich sie liebe und verspreche, auf dem Nachhauseweg Eis zu besorgen.«
    »Mich liebst du also nicht?«, fragte er gespielt gekränkt.
    »Ich liebe dich mehr als jedes Märchen«, gab ich zurüc k – eine rituelle Floskel, die bei uns schon seit Langem die Wendung »bis dann« ersetzte. Damit legte ich auf und warf das Telefon auf den Rücksitz. Es war an der Zeit, sich der Arbeit zu widmen.
    Der Mann gab dem Parkplatzangestellten ein
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