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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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wenn sich in diesem Fall also jemand an wesentlich Jüngeren vergriff, dann war es nicht Simon. Ich schlug mir vor Entsetzen die Hand vor den Mund, wenngleich meine Gründe nichts mit dem Alter der beiden zu tun hatten. Gerüchte kursierten schon immer, aber niemand hatte je eine direkte Verbindung zwischen Simon und der Fae-Unterwelt nachzuweisen vermocht. Ihn mit Oleander zusammen zu sehen änderte alles.
    Ich wollte zu Sylvester. Ich musste es ihm sagen. Langsam wich ich zurück und bereitete mich darauf vor loszurennen.
    »Das wird allmählich langweilig, Liebling«, meinte Oleander gerade zu Simon und zog einen Schmollmund, der ohne die Bösartigkeit dahinter geradezu niedlich ausgesehen hätte. »Beenden wir es?«
    »Natürlich, mein Schatz.« Er hob den Kopf, schaute an dem Baum vorbei, hinter dem ich kauerte, und sah mir unmittelbar in die Augen. »Du kannst jetzt rauskommen. Wir sind so weit.«
    »Oh, Eiche und Esche«, zischte ich und flüchtete rückwärt s – oder versuchte es zumindest. Jedenfalls war es der Befehl, den ich meinen Beinen gab, nur weigerten sie sich plötzlich zu gehorchen. Ich taumelte aus meiner Deckung hervor und sank auf die Knie. Ich wollte aufstehen, doch gelang es mir nicht. Ich konnte nur abwarten.
    Lily, wo steckst du? , dachte ich verzweifelt. Sie war die Herrin des Teegartens; dies war ihr Lehen, ihr Herrschaftsgebiet. Mittlerweile hätte sie hier sein, ihre Dienerinnen um sich scharen und zu meiner Rettung eilen müssen, aber sie war weit und breit nicht zu sehen. Nicht mal Pixies trieben sich in den Bäumen herum. Die sterblichen Touristen sahen uns an, als wären wir Luft. Ich hatte mich noch nie im Leben so verängstigt oder allein gefühlt.
    Simons Lächeln wirkte beinah herzlich, als er sich hinkniete, mir eine Hand unter das Kinn schob und es nach oben drückte, bis unsere Augen auf dieselbe Höhe gerieten. Ich versuchte mich zu wehren und den Blick von ihm abzuwenden, konnte mich jedoch nicht dazu zwingen, mich zu bewegen.
    »Hallo, meine Liebe«, sagte er. »Hat dir unser kleiner Spaziergang gefallen?«
    »Sche r … dic h … zum Teufel«, gelang es mir, zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorzupressen.
    Oleander lachte. »Oh, sie ist richtig vorlaut.« Binnen eines Herzschlags verdüsterte sich ihre Miene, und ihre Stimmung wechselte. »Lass sie dafür bezahlen.«
    »Selbstverständlich.« Simon beugte sich vor, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: »Ich werde dafür sorgen, dass jemand in ein, zwei Wochen dein Auto findet – sobald man bereit ist, die Hoffnung aufzugeben. Schließlich soll deine Familie nicht zu lange umsonst auf dich warten, oder?«
    Wäre es mir möglich gewesen, ich hätte geschrien. Alles, was ich tun konnte, war, hinter zusammengebissenen Zähnen zu knurren. Mein Atem ging angestrengt und schnell, als mich Panik erfasste. Ich musste weg. Cliff und Gilly warteten auf mich, und ich musste verschwinden, ich wusste nur noch nicht wie. Die Umklammerung, in der ich steckte, war so fest, dass ich nicht einmal den Sieh-nicht-her-Zauber auflösen konnte, der doch gewährleistete, dass niemand sah, was hier vor sich ging.
    Simon stand auf, legte mir die Hand auf den Kopf und drückte mich nach unten. Dabei flüsterte er etwas und bewegte die freie Hand in einer Geste, die ich nicht richtig ausmachen konnte. Ich unternahm einen letzten, verzweifelten Versuch, mich loszureißen. Oleander lachte erneut; es klang kalt und irgendwie entfernt, so als dringe der Laut durch eine Eiswand. Ohne Vorwarnung oder Paukenschlag vergaß ich, wie man atmet.
    Jede Magie schmerzt, und eine Verwandlung mehr als alles andere auf der Welt. Ich rang nach Luft und versuchte, aus Simons Verhexung auszubrechen. Meine eigenen spärlichen Kräfte entschwanden, und ich spürte, wie ich mich verbog und veränderte und gleich einer zu lange in der Sonne stehen gelassenen Kerze schmolz. Seine Bindung löste sich, als die Verwandlung in den letzten Zügen lag und ich auf dem Pfad zappelte. Meine Kiemen lechzten nach einem weiteren Atemzug, nach irgendetwas, um mich einige weitere Sekunden am Leben zu erhalten. Meine Augen brannten so sehr, dass ich kaum etwas richtig erkennen konnte. Aber am Rand meines Sichtfelds nahm ich verschwommen noch gerade so Simon wahr. Er lächelte, Oleander hingegen lachte unverhohlen. Sie waren stolz auf das, was sie mir antaten. Oberon, hilf mir, sie waren wirklich stolz .
    »Hey!«, brüllte eine Stimme. »Was soll denn das werden?«
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