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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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Trinkgeld, stieg in den Wagen, rollte vom Randstein und reihte sich in den Verkehr ein. Sein schicker roter Sportwagen stach aus den alltäglicheren Fahrzeugen hervor wie ein Kardinal aus einem Taubenschwar m … zumindest bis er um die erste Ecke bog, verschwand und nur den Gestank von Rauch und verfaulten Orangen zurückließ. Der Geruch von Magie kann so gut wie alles andere überlagern, und da jeder, der Magie wirkt, auch einen eigenen magischen »Geschmack« besitzt, dient er als eine Art Signatur. In diesem Fall bestätigte er, dass ich Simon Torquill folgte und keinem bezahlten Doppelgänger. Was ja an sich gut zu wissen war, abgesehen davon, dass ich den Mann gerade aus den Augen verloren hatte.
    Fluchend griff ich mir den Tiegel mit Fae-Salbe vom Sitz neben mir und schmierte sie mir um die Augen, bis sie mir über die Wangen rann. Vor mir tauchte der Wagen in verschwommenen Umrissen wieder auf, als sähe ich ihn durch Wasser. »Noch mal verliere ich dich nicht, du Mistkerl«, murmelte ich und stieg aufs Gaspedal.
    Sieh-nicht-her-Zauber sind tückischer als wahre Unsichtbarkeit; Simons Wagen war noch vorhanden, und die Fahrer rings um ihn mieden ihn unwillkürlich, wodurch er vor Verkehrsunfällen sicherer war, als er es ohne den Zauber gewesen wäre. Mensche n – Sterblich e – sahen ihn zwar; sie registrierten es bloß nicht. Hingegen konnte ihn niemand, in dessen Adern ein Tropfen Fae-Blut floss, ohne äußere Hilfsmittel wahrnehmen. Es war ein durchaus gelungener Bann. Hätte er meine Arbeit nicht behindert, ich wäre versucht gewesen, ihn zu bewundern.
    Es war regelrecht unfair. Meine eigenen Fähigkeiten erstreckten sich mit Müh und Not auf einige Zauber und billige Tricks, während der Mann vor mir eine ganze Stadt voller Menschen dazu brachte, sich so zu verhalten, als wäre er gar nicht da. Fae-Genetik gleicht einer Lotterie. Ist man ein Reinblut, bekommt man alles, aber als Wechselbalg darf man nur auf Glück hoffen.
    Simon bog in falscher Richtung in eine Einbahnstraße und nutzte den Vorteil der Halbunsichtbarkeit, den ich nicht hatte. Ich fluchte abermals, bog scharf nach links ab und folgte ihm gewissermaßen parallel: den nächsten Block entlang. Solange mich keine Ampeln aufhielten, sollte es mir gelingen, ihn am anderen Ende abzufangen. Ich hatte nicht vor, meinen Lehnsherrn im Stich zu lassen. Weder heute noch sonst irgendwann. So ein Mädchen bin ich nicht.
    Das Glück und meine Kenntnisse der Straßen San Franciscos standen mir zur Seite. Einen Viertelblock vor mir schoss Simons Wagen aus der Einbahnstraße wieder in Sicht. Ich stieg vom Gas und ließ mich einige Fahrzeuge weit zurückfallen, damit er keinen Verdacht schöpfte. Ich brauchte Simon so entspannt wie möglich. Leben konnten davon abhängen. Zwei Leben, um genau zu sein: das der Frau und das der Tochter meines Lehnsherrn, Fürst Sylvester Torquill, Zwillingsbruder des Mannes, den ich verfolgte. Vor drei Tagen waren die beiden spurlos verschwunden, mitten aus Sylvesters Landsitz, wo so strenge Sicherheitsvorkehrungen herrschten, dass eigentlich nichts an sie herangekonnt hätte. Trotzdem war genau dies geschehen, und alle Zeichen deuteten auf Simon.
    Selbst wenn Sylvester nicht mein Lehnsherr gewesen wäre, hätte ich den Fall aufgrund der darin verwickelten Personen übernommen. Herzogin Luna zählte zu den reizendsten Frauen, die ich je kennengelernt habe. Und dann war da noch ihre Tochter, Rayseline Acantha Torquill, die Raysel genannt wurde. Als mutmaßliche Erbin eines der größten Herzogtümer im Königreich der Nebel hätte sie ohne Weiteres verwöhnter als jede menschliche Prinzessin werden können. Stattdessen war aus ihr ein kleines Mädchen von der Sorte geworden, die man ständig auf einem Baum oder in einem Loch findet, die Schlamm magnetisch anzieht: eine Königin der Würmer und Frösche und aller kriechenden Geschöpfe. Sie lachte, als hätte sie das Lachen erfunden, und sie besaß das feuerrote Haar ihres Vaters. Verdammt, sie hatte doch wirklich auch das Recht heranzuwachsen.
    Simon beschleunigte. Ich tat es ihm gleich.
    Soweit Cliff wusste, arbeitete ich an einem herkömmlichen Entführungsfall, bei dem es bloß um noch so einen Versager von einem Vater ging, der mit seinem Kind geflohen war, nachdem er während eines Scheidungsverfahrens auf den Holzweg geriet. Seit Gillys Geburt war meine Arbeit für die Höfe zwar zurückgegangen, aber durchaus noch vorhanden, und ich hatte eine Menge Übung darin, sie
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