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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Autoren: Batya Gur
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verlegen zur Seite.
    »Ich höre«, sagte Michael und dankte Gott für den gnädigen Mechanismus, der es Söhnen ermöglichte, überhaupt nicht wahrzunehmen, dass ihren Eltern etwas widerfahren ist.
    »Es ist etwas, worüber wir schon mal geredet haben, als ich meinen normalen Wehrdienst gemacht habe«, sagte Juval und schwieg einen Augenblick, bevor er fortfuhr, »ich hatte damals, ich weiß nicht, ob du dich erinnerst … ich hatte so Gedanken … du erinnerst dich bestimmt nicht mehr, oder?«
    »Ich brauche einen Hinweis, einen Faden, irgendetwas«, entgegnete Michael in entschuldigendem Ton, »es gab einige Dinge, die … wie soll ich das wissen, wenn du nichts sagst?«
    »Sag mir«, setzte Juval an und beugte sich nach vorn, »aber ohne mich auszulachen …« Michael wollte schon versprechen, dass er bestimmt nicht lachen würde, doch Juval wartete das Versprechen gar nicht erst ab. »Und sag auch nicht, das sei keine Frage für einen vierundzwanzigjährigen Mann, der in einem Jahr seinen B. A. macht, versprichst du mir das?« Wieder wartete er nicht auf Michaels Antwort, sondern sprach schnell weiter: »Ich wollte dich fragen, aber ganz ernsthaft, ob du ein Zionist bist, Papa, bist du zionistisch?«
    Die Bedienung, die mit einem Tablett mit Kaffeegläsern und einem Körbchen frischer Brötchen kam, Teller, Besteck und Servietten aufdeckte, hielt ihn davon ab, sein Erstaunen zu äußern. Von allen Dingen auf der Welt, für die er sich gerüstet hatte – Probleme mit einem Mädchen, eine Krise im Studium oder sogar Konflikte, die seine Zukunft betrafen –, wäre ihm nie eingefallen, dass es dieses Thema war, weswegen sein Sohn ihn so dringend treffen wollte.
    »Warum fragst du?«, versuchte Michael, Zeit zu gewinnen, bis die Bedienung gegangen war.
    »Antworte mir zuerst«, verlangte Juval und holte sich ein Brötchen aus dem Korb, schnitt es auf und bestrich es mit Butter.
    »Es ist tatsächlich nicht mehr so einfach und selbstverständlich, wie es einmal war«, grübelte Michael laut. »Wovon genau redest du? Davon, dass es einen Staat für die Juden braucht?«
    Juval nickte. »Sagen wir mal«, stieß er hervor.
    »Wenn es das ist, dann ja. Ich denke, dass ich zionistisch bin. Der Zionismus hat zwar Tragödien verursacht, dessen Opfer beide Seiten … aber was soll man machen … wenn Zionismus ein Heim für die Juden heißt, kann man von mir sagen, dass ich ein Zionist bin.«
    »Warum?«, rief Juval. »Heißt das, es kümmert dich wirklich, ob du in einem jüdischen Staat lebst?«
    »Ich denke schon«, antwortete Michael nach einer Weile, »auch Juden brauchen ein eigenes Zuhause. Wo wären deine Großeltern sonst nach dem Holocaust hingegangen?«
    »Aber warum ausgerechnet hier, in Israel?«, verlangte Juval zu wissen und legte das Brötchen hin, ohne abgebissen zu haben, riss drei Zuckertütchen auf und schüttete sie in sein Kaffeeglas, reichte dann seinem Vater drei Tütchen – Michael leerte sie geistesabwesend in seinen Kaffee – und blickte ihn mit gespannter Erwartung an.
    »Das ist unser Zuhause, oder nicht?«, sagte Michael schließlich.
    »Warum? Wegen dem Holocaust?«, polemisierte Juval.
    »Nicht nur«, entgegnete Michael und dachte an Jusek, Juvals Großvater, ein Holocaustüberlebender, der seinem Enkel schon Predigten gegen die Gojim und den Antisemitismus in der Welt gehalten hatte, als dieser noch ein kleiner Junge war, »schon sehr viel früher. Eigentlich seit der Bibel.«
    »Bibel?«, rief Juval und blickte sich rasch um. »Redest du auch so? Von diesem Märchen? Das ist doch bloß irgend so ein Mythos, oder?«
    »Was ist denn so verwerflich an einem Mythos?«, fragte Michael und neigte den Kopf, um einem Sonnenstrahl auszuweichen, der ihn zu blenden drohte. Plötzlich durchströmten ihn die erregte Begeisterung seines Sohnes ebenso wie seine Zweifel mit unerwartetem Glücksgefühl. »Das ist ein nicht minder ernsthaftes Argument als der Anspruch der Muslime auf den Tempelberg, und im gleichen Maße richtig. Wenn nicht mehr.«
    »Jetzt sag mir mal«, Juval schob den Teller von sich, auf dem er zuvor das Brötchen abgelegt hatte, »ist Judentum eine Religion oder eine Nationalität?! Es ist doch eine Religion!«
    »Stimmt nicht«, entgegnete Michael und holte tief Luft, »im Judentum ist die Religion die Nation, und daher – ist auch das Israelisein Judentum.«
    »Aber was brauche ich den Tempelberg?«, rief Juval laut und dämpfte sofort seine Stimme. »Ich will den Tempelberg
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