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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Autoren: Batya Gur
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sage?«
    Rubin nickte stumm.
    »Du denkst, es sei möglich, so etwas geheim zu halten?«, fragte Michael bestürzt. »Warum willst du überhaupt …«
    »Es gibt einen Polizeipräsidenten und einen Staat, es gibt eine Armee und eine Zensur und alle möglichen … wir haben genügend Probleme auch ohne das. Uns jetzt auch noch eine solche Geschichte aufzuhalsen, das wäre …«, sagte Schorr und bedachte Michael mit strengem Blick.
    »Vergiss den moralischen Aspekt«, erwiderte Michael mit zitternder Stimme, »lass uns pragmatisch sein. Glaubst du, es sei möglich, so etwas jetzt geheim zu halten? Nach allem, was …«
    »Keine Frage«, unterbrach ihn Schorr bestimmt.
    »Und du?!«, fragte Michael entsetzt. »Du wirst schweigen? Kannst du bei einer solchen Geschichte schweigen? Und ich? Ich werde schweigen? Denn was …«
    »Du kannst, und wie!«, fiel ihm Schorr ins Wort und ergriff ihn am Arm, zog ihn in die Höhe und blickte ihm in die Augen. »Schau mich an«, befahl er, als Michael seinem Blick auswich, »behandle mich nicht, als sei ich irgendein Kriegsverbrecher, das Wohl des Staates ist mir so wichtig wie dir, oder denkst du, du hättest die Wahrheit gepachtet?«
    Michael schwieg,
    »Wie viele Jahre kennen wir uns?«, fragte Schorr, ohne eine Antwort zu erwarten. »Dein Onkel Jacko, mein guter Freund, der dich zu mir brachte, was sagte er zu dir? Er sagte zu dir, in meiner Gegenwart, dass du auf mich vertrauen sollst wie auf einen Vater, und so war es all die Jahre, oder? Habe ich dich ein einziges Mal enttäuscht? Habe ich dir nicht immer Rückendeckung gegeben?«
    Michael senkte den Kopf.
    »Und was nun? Bin ich plötzlich ein Bösewicht geworden? Du wirst selbst in ein paar Tagen … vielleicht sogar schon vorher … du wirst selbst entdecken, dass … du hast Geschichte studiert, nicht wahr? Was willst du mit dieser Wahrheit anfangen, die wir jetzt gehört haben? Denkst du, alles sei reparabel? Dass die Wahrheit das höchste Gut sei? Dass sie das Leben dirigiere? Weißt du, welchen Stoff wir in die Hände derer geben würden, die … oder sagen wir, wem nicht? Den Ägyptern und den Palästinensern und … und uns selbst? Da erübrigt sich jedes Wort, die Zensur würde uns ohnehin nicht erlauben, damit an die Öffentlichkeit zu gehen … schade um die Zeit, verstehst du mich?«
    »Ich weiß nicht, ob ich schweigen kann«, erwiderte Michael schließlich, »ich weiß nicht, wie man mit einem solchen Geheimnis leben kann.«
    »Das weißt du schon!«, sagte Schorr traurig. »Und ob du das weißt. Du wirst schweigen, und wie«, fügte er mit sich vertiefender Trauer hinzu und nach einem kurzen Schweigen: »Wir entwickeln uns, siehst du? Wir lernen, über immer größere Dinge zu schweigen.«
    Danach nahm alles eine unwirkliche Dimension an; wie schwerelos folgte Michael den Polizisten, die Rubin zum Streifenwagen abführten, und wie im Schlaf hörte er Fetzen von Nachrichten am Parkplatz – »…schoss auf seine Frau und brachte ihr tödliche Verletzungen bei«, sagte der Sprecher im Radio des Polizeiwagens und berichtete weiter, dass »in der Wohnung die beiden Kinder des Ehepaars waren …« –, und als Michael in Schorrs Auto einstieg, wo ebenfalls das Radio lief, hörte er, dass im Laufe des vergangenen Jahres siebzehn Frauen von ihren Ehemännern oder Lebenspartnern ermordet worden waren, und auch die Meldung über Schimschi und seine Kameraden, die zur Haftverlängerung vor Gericht gestellt wurden.
    Am Eingang zum Polizeipräsidium am Migrasch Harussim erwartete sie Natascha, die mit ihrem Blick Rubin verfolgte, wie er in Handschellen aus dem Streifenwagen stieg. Sie nahm die Segeltuchtasche von der Schulter, fuhr sich mit der Hand durch ihre dünnen Strähnen, zerrte an den Enden ihres Schals und trat dann auf Rubin zu: »Rubin?!«, und fragte dann Michael, der schleppenden Schritts folgte: »Was ist hier los? Warum ist er in …«
    Doch Michael schwieg.
    »Das ist ein Irrtum«, versicherte Natascha, »das ist ein kompletter Irrtum, Rubin ist ein Mensch, der … was, Sie wollen ihn wirklich verhaften?« Sie brach erstickt ab.
    Michael gab ihr keine Antwort.
    »Ich bin eigentlich wegen was ganz anderem hergekommen«, murmelte Natascha, während ihr Blick an Rubins Rücken klebte, »jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich machen soll, weil …«
    Etwas an ihrem verlorenen Ausdruck hinderte Michael daran, zu ihr zu sagen, dass sie gehen und ihn in Ruhe lassen solle. Er blieb stehen, und sie redete
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