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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Autoren: Batya Gur
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schmollte, als hätte man ihn beleidigt. Eine Beleidigung, von der man sich nicht mehr erholen konnte. Als ob man ihn benachteiligt hätte und ihm ein nicht wiedergutzumachendes Unrecht angetan hätte.
    »Hast du je über dieses Unrecht nachgedacht?« schrie Theo, »daß dieser erbärmliche Angestellte Vaters der ein zige war, der sich für mich eingesetzt hat?! Was hast du dazu zu sagen, daß dein Vater nicht die Absicht hatte, mir davon zu erzählen?!«
    »Du hattest die Absicht, Vater zu töten«, sagte Nita mit einer hohlen, aber bestimmten Stimme. »So sehr hast du ihn gehaßt? So sehr, daß du es planen konntest?«
    »Ich? Ihn gehaßt?! Wie kommst du darauf, daß ich ihn gehaßt habe? Ich habe mir so gewünscht ... so sehr ... « , seine Stimme erstarb. Sekunden später faßte er sich. »Reime dir hier kein Melodrama zusammen«, sagte er unnachgiebig. »Ich habe es nicht geplant. Ich bin zu ihm gegangen, um mit ihm zu reden. Er war so ... so eiskalt. Und voller Verachtung. Die ganze Zeit konnte er sich nicht beruhigen, daß Herzl mir von der Vivaldi-Handschrift erzählt hat und daß ich nicht in der Lage sein würde, darüber zu schweigen. Die ganze Zeit dachte er nur an Gabi und daran, daß Gabi es verdient hatte. Und da, ganz plötzlich, wurde mir schwarz vor den Augen. Das Blut stieg mir in den Kopf, und ich hob die Hand gegen ihn. Er lag auf dem Bett. Ich sah, daß er nicht verstand, wie ich mich fühlte. Was es für mich bedeutete. Und ich nahm das Kissen, um es gegen die Wand zu werfen. Ich hatte es nicht vor. Ich habe dabei nicht ge dacht ... Und dann sah sein Gesicht plötzlich wie das Gesicht eines Monstrums aus, wie ... Vater ... so wie Kafka von seinem Vater sprach. So war er. Mit diesem klappernden Gebiß und dieser Überzeugung, daß ich eine Null bin. Ich hatte nicht die Absicht. Wie könnte man so etwas pla nen? Ich wollte es, sehr oft habe ich gespürt, daß ich ihn um bringen könnte, daß ich ihn mit aller Kraft schütteln würde, aber ich hatte es nicht kaltblütig geplant.«
    Jetzt war Nitas Gesicht von Tränen naß. Zum ersten Mal hörte Michael, wie Balilati sich die Hände rieb, seufzte und aufatmete.
    »Ich hatte nicht die Absicht.« Theo beugte sich über sie und faßte nach ihren Händen. »Ich weiß nicht mal, wie das Kissen statt gegen die Wand zu fallen ... Ich habe keine Erinnerung, wie es auf seinem Gesicht landete ... Ich wollte ihn nur nicht mehr sehen. Mit dieser Verachtung, mit dieser Unnahbarkeit, wie er nicht mal einen Moment an mich dachte. Ich wollte sein Gesicht nicht sehen. Es zudecken. Es nicht mehr sehen müssen. Ich legte das Kissen darauf. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich verstand, was ich da tat. Ich kann dir nicht einmal sagen, wie mir bewußt wurde, daß er tot war. Er war anscheinend viel schwächer, als ich dachte. Ich hatte es nicht geplant, Nita. Auch ich ... auch ich ... ich habe ihn auch geliebt. Ich wollte ... ich konnte nicht verzichten ... was immer ich getan habe, hat vor seinen Augen nicht bestanden. Verstehe doch. Du hast gesagt, du willst es verstehen.«
    »Und alles ... das Bild ... und dann Gabi.«
    »Später bin ich in Panik geraten. Ich weiß nicht, wie mir die Idee mit dem Bild kam. Auch das hatte ich nicht geplant. Glaube mir. Alles geschah in einer Art dichtem Nebel. Ich dachte nicht daran, was später passieren würde. Ich kann dir selbst nicht sagen, wie und warum ich ihn in den Sessel setzte und ihm den Mund verklebte, und das Bild, wie ich es herausnahm. Ich habe den Rahmen auseinandergenommen. Ich habe die Leinwand in Herzls Wohnung gebracht. Ich habe nicht weit gedacht. Ich dachte gar nichts. Es war ... wie in einem Traum.«
    »Und das Konzert, du hast ausgesehen, wie immer ... und wir haben auf Vater gewartet.«
    »Ich ... als ob ... als ob es jemand anderes wäre, nicht ich«, sagte Theo abwesend. »Man kann es nicht erklären, und ich bitte dich nicht um Vergebung. Das ganze Leben war ich gehetzt. Erst in diesem Moment rede ich mit jemandem darüber. Über diese unausgesetzten Kränkungen. Über die Verzweiflung, wenn du verstehst, daß nichts etwas nutzt, was immer du auch tust.«
    »Und Gabi.«
    »Und Gabi.« Theo senkte den Kopf.
    »Alles war geplant.«
    »Auch das kann man so nicht sagen«, wand sich Theo.
    »Was redest du Theo, was redest du da?« Sie verbarg ihr Gesicht mit den Händen. »Du hast das Paket mit den Sai ten aus meinem Wandschrank geholt. Im voraus. Und die Handschuhe, sie haben es mir gesagt, hast du
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