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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Autoren: Batya Gur
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General Bitan zu einem Geständnis gebracht hat. Ich kannte ihn und habe von diesem Verhör gehört. Und auch er war, wie mein Vater zu sagen pflegte, von der Sorte derer, die ›wie Funken hoch emporfliegen‹*.«
    Balilati sah ihn mit Erstaunen an, in dem Unverständnis lag. Er lehnte sich zurück in seinem Stuhl, riß den Mund auf, machte ihn zu, rollte die Augen, richtete sich auf, neigte den Kopf, wie er es gewöhnlich tat, bevor er eine besonders giftige Bemerkung machte. Er schaffte es zu sagen »was für Funken«, und was ihn in Wahrheit quälte, war die ungewöhnliche Kombination, die auch Michael beeindruckte, sogar in diesen Minuten, in denen er so angespannt war. Die Kombination von Naivität und Entschlossenheit. Aber Schorer beeilte sich, ihm ins Wort zu fallen. Und mit einem autoritären, zusammenfassenden Ton sagte er:
    »In diesem Fall, wie soll ich sagen, ist es Kommissar Ochajon gelungen, für den Zeugen zu einer Person mit moralischer Autorität zu werden. Wie ... kurzum, eine Person, die die Macht hat, Absolution zu erteilen. Wenn man einige Jahre in unserem Beruf arbeitet«, erklärte er, »sieht man, daß jeder Mensch ein großes Bedürfnis nach allgemeiner moralischer Rechtfertigung hat. Und manchmal, mit etwas Glück, verwandelt sich der Vernehmer in den Augen des Vernommenen in jemanden, der Lossprechung, Vergebung oder eine gewisse moralische Legitimierung verspricht. Er wird zu einer Respektsperson. Nicht immer funktioniert es. In dem damaligen Fall hat es sehr gut funktioniert.«
    »Manchmal muß man dafür schreckliche Dinge tun. Sie würden nicht glauben, was ich dafür schon unternommen habe. Ich selbst, ich selbst habe sogar mit Vernommenen ge weint. Über ihr Leben und über das meine. Und über ihre Tat«, sagte Balilati und versank in Gedanken. »Einmal habe ich sogar einem erzählt ... « Für einen Moment durchfuhr ein Leuchten seine Augen und erlosch, als er sie senkte und sagte: »Gut, das tut jetzt nichts zur Sache.«
    »Und Michael«, mischte Eli sich plötzlich ein, »bei dem Verhör von General Bitan haben sie stundenlang über Schei dung und ihre Beziehung zu den Kindern gesprochen! Ein Viertel der Gespräche hat sich damit beschäftigt! Weißt du noch?«
    Michael senkte den Kopf. Noch jetzt fühlte er sich unbehaglich, wenn er an diese Gespräche dachte und daran, wie die Kollegen die Bänder später abhörten und wie sehr sie seine Offenheit genossen. Er erinnerte sich sehr wohl an die Minuten, in denen in diesen Dialogen nichts geheuchelt war, und es schien ihm jetzt, daß alle genau gespürt hatten, wann er sich dazu verleiten ließ, sich wirklich zu öffnen, daß sie es so gut wußten wie er. Und als ob er spürte, was Michael empfand, fügte Eli Bachar hinzu: »Und es ist nicht nur eine Masche, es ist nicht nur List, es geht um Menschen, zwischen denen tatsächlich eine Beziehung entsteht.«
    Michael rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er mußte etwas sagen, um der wachsenden Verlegenheit und Scham Einhalt zu bieten. Vor allem, weil er sich an ein Gespräch er innerte, in dem er mit General Bitan eine Krise besprach, die er mit Juwal hatte. Deshalb beeilte er sich, die Diskussion auf die theoretische Ebene zurückzubringen: »Was Verbrecher daran hindert zu gestehen, ist nicht die Angst vor dem Gefängnis«, hörte er sich Ja'ir erklären. »Dazu haben sie nicht immer die Phantasie. Sie stellen sich nicht wirklich vor, inhaftiert zu werden. Wovor sie Angst haben, wie sehr es auch überraschen mag, ist der moralische Aspekt. Ihre Schwierigkeit, mit der moralischen Schuld zu leben, macht es möglich, mit ihnen zu kommunizieren. Sie – jedenfalls die meisten – sehnen sich nach dem Gefühl und der Bestätigung, daß sie aus moralischer Sicht richtig gehandelt haben. Und in diesem Fall jetzt geht es um moralische Unterstützung, darum, daß man ein Recht auf die Liebe des Vaters hat. Das ist es, worüber man Theo van Gelden erreichen kann. Und wenn der Vernehmer bereit ist, diese Position zu akzeptieren – ist der Verdächtige auf dem besten Weg zum Geständnis. Das heißt, wenn Theo van Gelden spürt, daß ich in moralischer Hinsicht seine Motive akzeptiere, sie verstehe, sie nahezu rechtfertige, hätten wir eine Chance bei ihm. Die Frage, die Dani beschäftigt, ist, ob Theo van Gelden mich als Person akzeptieren wird, die ihn moralisch freispricht.«
    »Wir haben nicht viel Zeit«, warnte plötzlich Balilati. »Wir haben jetzt keine Zeit zum
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