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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Autoren: Batya Gur
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aus dem Fach geholt. Du hast die Saiten geholt, an die ich gar nicht mehr gedacht habe ... Und du wußtest, daß das Konzertsaiten waren. Und daß kein anderer solche Saiten benutzt. Als ob du wolltest, daß man denkt, ich hätte es getan ... Ich war dabei, und du hast dafür gesorgt, daß ich ihn fand!« sagte sie weinend. »Ich weiß nicht, ob du ihn danach noch gese hen hast. Wieviel Haß du dafür gebraucht hast! Wieviel Haß für diese Kraft!«
    »Ich hatte keine Wahl«, sagte Theo mit schmollenden Lippen. »Er hätte herausgefunden, daß ich ... er hätte herausgefunden, was ich getan habe ... er hätte die Sache mit Vater herausgefunden. Er wäre nicht bereit gewesen zu ver zichten. Es war ein heiliges Prinzip für ihn geworden, Vaters Testament zu vollstrecken. Ich konnte nicht mehr zurück. Ich konnte nicht mehr.«
    Hinter der Scheibe übertrugen die Lautsprecher nur ihr Weinen. »Was machen wir jetzt?« fragte Theo mit dünner Stimme.
    Nita wischte über ihr Gesicht. Sie zog die Nase hoch. »Als erstes werden wir einen Rechtsanwalt anrufen«, sagte sie mit heiserer Stimme.
    »Kein Anwalt wird mich aus dieser Sache rausholen«, sagte Theo. »Das ganze Leben, alles, was davon übrig ist, werde ich irgendwo eingesperrt sein. Verstehst du, daß das nichts für mich ist?«
    Nita sah ihn schweigend an.
    »Du hast gesagt, daß du zu mir halten wirst«, rief ihr Theo in Erinnerung, wie ein Kind, das seine Mutter ermahnt. »Du hast gesagt, du würdest mir helfen.« In seiner Stimme lag etwas Arglistiges. Diese Stimme war es anschei nend, die sie veranlaßte, zittrig aufzustehen und ihre Hand auf seinen Arm zu legen, als ob er wirklich ein kleines Kind wäre. »Ich muß darüber nachdenken«! sagte Nita. »Ich habe noch keine Ahnung, wie es weitergehen soll.«
    »Frag deinen Freund«, flüsterte Theo und hob die Augen zu der Decke.
    »Jetzt«, sagte Balilati und zog Michael am Ärmel. »Jetzt gehst du rein.«
     
    Sie stand gegenüber der Tür. Ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper herab. »Er sagt dir, was du willst«, sagte Nita, als sie hinausging. »Besorge ihm einen Rechtsanwalt und al les, was notwendig ist«, stieß sie aus und brach zusammen. Wenn er sich nicht mit aller Kraft gegen die Tür gelehnt hätte, hätte er sie nicht halten können. Dani Balilati trug sie in Schorers Zimmer. Er rief einen Krankenwagen.
     
    Fünf Tage dauerten die Verhöre von Theo van Gelden. In dieser Zeit verließ er das Gebäude nicht. Die ganze Welt hörte auf zu existieren. Manchmal gesellten sich Balilati und Eli Bachar zu den Verhören. »Damit er weiß, was er an dir hat«, versuchte Balilati witzig zu sein. An diesen Tagen – in dem kleinen, nackten, fensterlosen Raum im vierten Stock – spürte er hin und wieder, wie die Grenze zwischen ihm und seinem Gegenüber schwand. An diesen Tagen, wenn er sich für wenige Ruhestunden in Schorers Zimmer zurückzog, dachte er häufig, daß er sich selbst und sein eigenes Leben verloren hatte, als ob er wahrhaftig in das Bewußtsein Theo van Geldens eingedrungen wäre, der immer abhängiger von ihm wurde.
    Auch wenn er seine Augen in Schorers dunklem Zimmer schloß, hörte er unentwegt die Stimmen. Die Dinge vermischten sich. Jeden Tag schimpfte Balilati über die Presse und machte Bemerkungen darüber, wann der richtige Moment für die Rekonstruktion des Tathergangs gekommen war (»morgen, morgen werden wir ihn zur Nachstellung holen, es ist so weit«, sagte er am fünften Tag). Bei diesen Gelegenheiten ließ er auch etwas über Nitas Zustand wissen. Darüber, daß man sie nicht allein ließ. Über Isi Maschiach, der neben ihrem Bett saß, über die Krankenschwester, die man engagiert hatte, und die Kinderfrau, die Ruth Maschiach besorgt hatte. Einmal bemerkte er auch etwas über Ido, als er sagte: »Der Junge ist heute von selbst gestanden, er weiß nicht, wie er sich setzen soll, er weint sehr viel.«
    Auch Theo ließen sie keine Minute allein. Obwohl es keine Anzeichen dafür gab, war Michael ständig auf der Hut, und Balilati achtete darauf, das Gebäude nicht zu verlassen, ohne sicherzustellen, daß jemand vor der Tür stand, wenn man Theo ausruhen ließ, und daß sich nichts Schar fes oder Stumpfes in seiner Nähe befand. »Keine Krawatte und keine Schuhe«, wiederholte Balilati den Polizisten, die Wache hielten, »keine Gabel, nur ein Löffel.«
    Ja'ir ging vor ihm, als sie von der improvisierten Gefängniszelle im zweiten Stockwerk zu dem Raum, in dem die Verhöre
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