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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Autoren: Batya Gur
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nicht einmal Angst stand in ihnen, während Nitas Gesicht voller Verzweiflung und Schmerz war, was selbst hinter dem Glas schwer auszuhalten war. Theo nahm die Hände wieder von ihren Schultern. Für einen Moment schloß Michael die Augen. Als er sie aufschlug, hörte er sie sagen: »Sie haben das Requiem gefunden.«
    Er sah, wie Theo zurückschreckte und sich gehetzt umsah.
    »Wir sind allein hier«, sagte Nita, »du brauchst keine Angst zu haben, Theo. Sie haben es bei dir im Büro gefunden.«
    Theo ließ sich auf den Stuhl fallen, neben dem er stand.
    »Du hast mir kein Wort über diese Sache gesagt«, sagte Nita mit frostiger Stimme. »Jetzt mußt du mir alles sagen.«
    Theo schüttelte den Kopf, hob sein Gesicht, glitt mit der Hand durch seine silbrigen Haare und sagte ihr mit erstickter Stimme: »Sie hören jedes Wort mit.«
    »Hier ist kein Mensch«, sagte Nita. »Er hat es mir versprochen.«
    »Er hat gelogen. Alle hier lügen«, sagte Theo. »Du warst schon immer einfältig.«
    Michael stand auf und ging auf die Scheibe zu, bis sein Atem sie vernebelte. Er sah, wie ihre Augen sich für einen Moment verengten und wieder weiteten.
    »Vielleicht war ich das einmal«, hörte er sie einfach sagen und sah, wie die roten Flecken auf ihren Wangenknochen dunkel wurden. »Aber jetzt bin ich es nicht mehr. Ich kann es mir nicht mehr leisten.«
    Theo ließ einen undefinierbaren Laut hören und sah sie schweigend an.
    »Du wirst ihnen sagen, was du willst«, sagte Nita und legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie saßen einander gegenüber, sehr nah beieinander; nur noch zwei Stühle und ein grünlicher Metalltisch standen in dem blauen Zimmer. »Ihnen kannst du sagen, was du willst, aber mir«, betonte sie, »mir mußt du die Wahrheit sagen.«
    Theos Augen rasten von Ecke zu Ecke. Er hob den Blick, als suche er nach Mikrophonen, Vorhängen, versteckten Zeugen. Schließlich stand er auf, sah hin und her, als ob er beabsichtige, von einem Ende zum anderen zu marschieren. Aber als er die winzigen Dimensionen des Zimmers sah, setzte er sich erneut.
    »Alles. Du mußt. Auch über Vater mußt du mir alles sagen.«
    »Nita«, sagte Theo zornig. »Was habe ich dir über Vater zu erzählen? Schließlich hast du selbst gehört, daß ich mit ... an jenem Tag mit einer Frau, mit zwei Frauen zusammen war. Es ist mir nicht angenehm, mit dir über diese Dinge zu reden.«
    Ihr Gesicht wurde mit einem Schlag bleich, als ob das Blut aus ihm wich. Für einen Moment befürchtete Michael, sie könnte ohnmächtig werden, vom Stuhl fallen und sich den Kopf auf den verstaubten Fliesen aufschlagen. Aber sie richtete sich auf und sagte mit erstickter Stimme: »Hör mal, Theo, hör mir gut zu. Als erstes, wie du bereits verstanden haben dürftest, bin ich keine Jungfrau mehr. Deine Frauengeschichten sind kein Geheimnis. Zweitens bin ich auch schon lange kein Kind mehr. Und wenn ich es noch vor einiger Zeit war, dann bin ich es jetzt nicht mehr, denn ich habe keine Wahl mehr, als auf einmal erwachsen zu werden. Und drittens, die Kanadierin, mit der du im Hilton warst oder wo auch immer, behauptet, daß sie nicht mit dir zusammen war.«
    Theo lächelte. Für einen Moment schien er sogar angefeuert: »Natürlich leugnet sie das«, sagte er beinahe erleichtert. »Was hast du erwartet? Sie ist eine verheiratete Frau. Eine Spießerin. Sehr engagiert in ihrer Gemeinde. Sie hat vier Kinder. Du mußt wissen ...«
    »Rede nicht so mit mir«, sagte Nita plötzlich entschie den. »Ich bin deine Schwester und nicht irgendein Polizist. Ich spreche mit dir, weil ich deine Schwester bin! Wann kapierst du das endlich? Du bist alles, was mir geblieben ist. Selbst wenn du ... Selbst wenn du ein Mörder bist«, fügte sie flüsternd hinzu. »Hier, ich habe es ausgesprochen«, murmelte sie ungläubig. »Ich liebe dich, sogar wenn ... bedingungslos. Aber die Wahrheit mußt du mir sagen. Und erzähl mir keine Lügenmärchen mehr. Diese Frau sagte, sie war in der besagten Zeit mit einem anderen Mann zusammen. Sie hat seinen Namen genannt, der hat es bestätigt, sie haben eine Aufnahme von ihr und eine unterschriebene Aussage. Und auch Drora Jafa, die Geigerin, die angeblich danach mit dir zusammen war, ist umgefallen. Sie sagte, daß sie auf dich gewartet hat und daß du nicht gekommen bist. Hör also auf mit deinen Märchen!«
    »Was für ein anderer Mann?« fragte Theo, und seine Augen fuhren hin und her. »Was für einen anderen Mann soll sie gehabt haben? Sie ist nicht
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