Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
Reihe, danach jene, die in der Schneiderei und der Wäscherei arbeiteten, »bekleidet, mit den neuesten Modellen aus unserer Herstellung«, verkündete Mojsch und deutete auf Anja, die etwas abseits stand, weit weg vom Mikrofon. Erst dann folgten die Feldarbeiter, nach ihnen die Landschaftsgärtner. Wieder fragte sich Aharon, wo Srulke wohl steckte, dem niemand, trotz seines Alters, abzusprechen wagte, daß er hier im Kibbuz der Vater der Gartenkultur war. Doch er schob diese Frage schnell zur Seite, als er den Korb mit den großen, verpackten Cremedosen sah, den Wart trug. Eine von ihnen, in einer durchsichtigen, mit einem Goldband verzierten Plastikverpackung, wurde von Mojsch besonders lobend hervorgehoben. »Tau der Jugend« lautete der nicht gerade inspirierte Name dieses Produkts, das dem Kibbuz Hunderttausende von Dollars brachte. Der große Korb war mit dem Kaktus geschmückt, aus dem die Kosmetikartikel hergestellt wurden, und Aharon betrachtete erstaunt die kostbare Pflanze, die so unbedeutend aussah.
    Jetzt kamen die Kinder, die für den kleinen Kinderzoo sorgten. Sie führten einen staksigen, einen Monat alten Esel mit sich, um dessen Hals sie einen Kranz aus Nelken gebun den hatten, ebenso ein braunes Fohlen, und ein kleines Mädchen in einem weißen Kleidchen trug einen weißen Hasen auf der Schulter. In einem Korb, der von einem Mädchen und einem Jungen getragen wurde, gackerte ein Huhn. Am Ende des Zuges schritten elf Mütter an der blumengeschmückten Heuwand entlang, auf den Armen die Babys, die sie im letzten Jahr geboren hatten, und wieder klatschten die Zuschauer, allerdings zerstreut und ohne große Begeisterung. Dann begann der große Umzug der Traktoren, und von den Eggen, die langsam vorbeifuhren, warfen junge Mädchen Konfetti in das Publikum.
    Trotz der Hitze war die Luft trocken, wie immer im nördlichen Negev. Inzwischen war es sechs Uhr abends, aber man hatte den Eindruck, es stünde die Sonne noch immer hoch am Himmel, und die Kinder hüpften aufgeregt neben den schweren Fahrzeugen her, die ganze Wolken von Staub und Sand aufwirbelten. Die Zuschauer standen auf und wichen ein paar Schritte zurück, wobei sie die Kleinen, die näher heran wollten, fest an den Händen hielten. In den Traktorkabinen saßen auch die Kinder der Verantwortlichen für die verschiedenen Arbeitsbereiche. Die große Erntemaschine wurde von einem Jugendlichen mit braungebranntem Oberkörper gelenkt. Sein Gesicht war ausdruckslos, fast gleichgültig, als bemerke er gar nicht, welchen Eindruck er auf die Kibbuzkinder und die heranwachsenden Mädchen machte, von denen einige leuchtend weiße Kleider trugen, die ihre Schönheit, ihre Jugend und Gesund heit noch betonten.
    »Unsere Scheunen sind voller Weizen und die Weinkeller voller Wein, und unsere Häuser sind voller Säuglinge«, sang der Chor, und Aharon dachte, daß diese Worte wohl nirgends so buchstäblich zu nehmen waren wie hier. Alles drückte Fülle aus. Von den finanziellen Schwierigkeiten der Kibbuzbewegung, die seit Monaten die Schlagzeilen der Zeitungen beschäftigten und von der Knesset sowohl im Plenum als auch im Erziehungsausschuß diskutiert wurden, war hier nichts zu merken. Die Gewinne aus der Kosmetikproduktion waren sehr groß, hatte ihm Mojsch auf ihrem Weg hierher erklärt, so groß, daß dieser Kibbuz sogar andere, die tief in Schulden steckten, unterstützen konnte. Hier konnten die Mitglieder noch Reisen ins Ausland unter nehmen, und das Vorhaben, die Kinder nicht mehr in den traditionellen Kinderhäusern schlafen zu lassen, sondern bei ihren Eltern, war nicht aus finanziellen Gründen verschoben worden, sondern aufgrund eines Beschlusses des Kibbuz ha-arzi , dem Rat der traditionellen Kibbuzbewegung, zu der sie gehörten.
    Aharon, dessen Blicke auf der Suche nach Osnat die ganze Zeit zerstreut umherwanderten, entdeckte plötzlich Dworka, die nicht weit entfernt von ihm stand und eine Hand schützend über die Augen hielt. An der anderen hielt sie einen kleinen, vielleicht fünfjährigen Jungen. Erschrokken fuhr es Aharon durch den Sinn, daß dies vielleicht Osnats Sohn war, Dworkas Enkel. Auch aus der Entfernung sah er, daß Dworka krummer war als früher. »Sie muß schon über siebzig sein«, hatte er beim Mittagessen zu Mojsch gesagt, und der hatte genickt. »Zweiundsiebzig. Aber sie ist ein Bulldozer, sag ich dir, und sie bringt den Kibbuz noch immer in Bewegung. Du müßtest sie mal bei den Versammlungen reden hören.« Mojsch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher