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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Autoren: Batya Gur
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Generation, zwei große, grüne John Deeres , mit glänzend geputzten Rädern und mit jenen großen gelben Rosen geschmückt, die Srulke besonders liebte.
    Auch als Mojsch sagte : »Zwei, drei, Test«, wurde es nicht ruhig. Erst als der kleine Chor das Lied »Körbe auf unseren Schultern, Kränze in den Haaren« intonierte, begannen die Leute, die Kinder zur Ruhe zu mahnen, und die Alten, die in der ersten Reihe standen, sagten »pssst«, nicht verärgert, sondern voller Vergnügen.
    Aharon stand am Rand und betrachtete die faltigen Gesichter der alten Frauen, ihre schütteren Haare, ihre blumengemusterten Kleider, die weit geschnitten waren, um die Konturen des Körpers zu kaschieren, und die alten Männer, die anfangs neben den Frauen standen und sich nach und nach vor sie auf den Boden setzten. Er betrachtete Se'ew Hacohen, der, früher von großer Gestalt, im Lauf der Jahre geschrumpft zu sein schien, aber mit seinen vollen weißen Haaren noch immer beeindruckend aussah, trotz seiner auffallenden Magerkeit. Wie immer, wenn er ihn sah, hatte er Srulkes Worte in den Ohren: »Dieser Politikus«, hatte er damals wütend gesagt und mit heftigen Bewegungen seine leere Kaffeetasse gespült. Ein Bild, das Jahre zurücklag, Srulke in einem grauen Unterhemd am Spülbecken stehend, und Mirjam, die an dem Tisch saß, dessen Wachstuchdecke, braune Blumen auf beigem Hintergrund, pappig war und hart an den Ecken. Aharon erinnerte sich auch noch an Mirjams Stimme, wie sie erschrocken und eindring lich sagte: »Du brauchst nicht so über ihn sprechen«, und dann an das plötzliche Schweigen der beiden, als sie ihn in der Tür stehen sahen.
    Nun saß Se'ew Hacohen vor Matilda, der Verantwortlichen für die Küche, die damals den kleinen Kibbuz-Laden geführt hatte. Neben ihm saß ein kleiner Junge, der an den Schnallen von Se'ews braunen, biblischen Sandalen herumspielte. Ein Enkel, der Sohn eines der Kinder von Gott weiß welcher Frau, dachte Aharon und erinnerte sich verschwommen an das, was Mojsch über die verworrenen Familienverhältnisse des führenden Intellektuellen und Philosophen nicht nur dieses Kibbuz gesagt hatte. »Wie alt ist er eigentlich?« hatte Aharon Mojsch gefragt, als sie zusammen auf diesem Platz angekommen waren. »Ich weiß es nicht genau, vielleicht fünfundsiebzig«, hatte Mojsch zerstreut geantwortet. »Nein, er muß älter sein.« Er hatte den Jungen von seinen Schultern gehoben und war zur Bühne hinübergegangen.
    Der Kibbuz selbst war fünfzig Jahre alt. Ein halbes Jahrhundert war vergangen, seit sich die ersten Siedler hier niedergelassen hatten. Er war nicht der älteste Kibbuz des Landes, aber gut etabliert. Die Stimmung war einigermaßen feierlich, trotzdem spürte Aharon, daß keiner die Zeremonie besonders ernst nahm. Nur die Kinder waren aufgeregt, doch sie wurden eher von den Reihen der landwirtschaftlichen Fahrzeuge angezogen, achteten nicht auf die Bühne und den kleinen Chor. Außer den Chormitgliedern trug fast niemand weiße Kleidung. Man hatte sich noch nicht mal die Mühe gemacht, die Kindergartenkinder in Blau und Weiß zu kleiden, wie Aharon jetzt feststellte, mit einem kleinen Stich der Enttäuschung, der ihn selbst amüsierte. Und nirgends waren Fahnen des Landes zu sehen. Einen Moment lang nahm er sich vor, mit Mojsch auch darüber zu reden. Er dachte an die Nostalgie, die ihn an den nationalen Feiertagen ergriffen hatte, besonders an die Aufregung, wenn Schawu'ot* näher rückte, das Wochenfest, an das Gefühl, an wirklich großen und bedeutenden Ereignissen teilzuhaben, und sogar jetzt konnte er den Gedanken nicht ganz verdrängen, daß ohne das Blau-Weiß und ohne Fahnen auf dem Caterpillar die ganze Zeremonie fremdartig und archaisch wirkte, als fände sie in einer russischen Kolchose statt. Andererseits, überlegte er, während er auf einem trokkenen Halm herumkaute, kam es ihm vor, als stehe die Zeit still, als betrachte er einen Film über zionistische Geschichte. Die landwirtschaftliche Zeremonie war nun, da die Landwirtschaft fast am Boden lag, zu einer Farce gewor den, hier in diesem Kibbuz, der nur durch ein industrielles Werk lebte, in dem, von allen Dingen der Welt, ausgerechnet Kosmetikartikel hergestellt wurden und auf dessen Namen ein internationales Patent für eine Creme eingetragen war, die Falten reduziert und die Haut erneuert, eine Creme, für die in allen Zeitschriften Reklame gemacht wurde. In den Inseraten wurden zwei Fotos derselben Frau gezeigt, das
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