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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Autoren: Batya Gur
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Interesse noch Erstaunen gezeigt, wie es sonst ihre Art war. Ein Blick ihrer Augen hatte gereicht, das Gefühl des Triumphs und des Stolzes wegzuwischen, das er seit seiner Ankunft empfunden hatte. In Mojschs Zimmer, wo sie nach dem Mittagessen Kaffee getrunken hatten, war ihm wieder so unbehaglich zumute gewesen wie damals, als man ihn nur akzeptiert hatte, um seiner Schwester einen Gefallen zu tun.
    Als er den Kibbuz verließ, wurde das als Betrug angesehen. Natürlich war das, was jener Journalist geschrieben hatte, eine Lüge gewesen. Aharon hatte nie auf Kosten des Kibbuz studiert, und bei einer der letzten Pressekonferenzen hatte er das diesem Mann sogar erklärt. Aber im öffentlichen Leben seien Dementis sinnlos, meinten die Fachleute. Die Wahrheit war, daß er den Kibbuz verlassen hatte, weil er Jura studieren wollte, der Bildungsausschuß des Kibbuz aber riet, er solle warten, bis er an der Reihe sei und inzwischen »etwas lernen, was hier gebraucht wird«, zum Beispiel Betriebswirtschaft oder Landwirtschaft. Er solle sich gedulden, »dann werden wir schon sehen«. Auch die Mitglieder stimmten dafür, er solle warten, »dann werden wir schon sehen«. Die Mehrheit war fast einstimmig dieser Meinung, und Jochewed sagte: »Was hast du es so eilig? Studieren ist nicht alles im Leben, es ist besser, wenn du ers t ein paar Jahre arbeitest und Erfahrungen sammelst, etwas Wichtigeres gibt es nicht.« Und Matilda sagte barsch: »Sogar unsere Kinder, die hier geboren sind, haben wir noch nicht zur Universität geschickt.« Dworka reagierte wütend auf diesen Satz, Se'ew Hacohen protestierte gegen ihn, und sogar Jehuda Harel, Dworkas Ehemann, der sich gerade im Kibbuz aufhielt – er verbrachte die meiste Zeit in der Stadt, in seiner Funktion als Verantwortlicher für die Außenkontakte –, meinte: »Das ist überhaupt nicht relevant. Aharon ist Mitglied des Kibbuz, er gehört hierher.« Doch Aharon wußte, daß er ohnehin weggehen würde. Die Möglichkeiten im Kibbuz schienen ihm zu begrenzt, fast im voraus festgelegt, und in solcher Unfreiheit wollte er nicht leben.
    Als er im Sekretariat der Kibbuzverwaltung seine Absicht wegzugehen kundgab, schickte man ihn zu Dworka. Aharon erinnerte sich noch immer an jede Einzelheit dieses Gesprächs und an das, was ihm vorausgegangen war. Beim Mittagessen hatte sie sich an ihn gewandt und gesagt: »Komm doch heute abend vorbei.« Er erinnerte sich, wie er zögernd an ihre Tür geklopft hatte, wie sie energisch Kaffee gekocht und vom Feuer genommen hatte, bevor er überkochen konnte, an die Sicherheit, mit der sie den Marmorkuchen in Stücke schnitt, Teller und Tassen auf die bestickte Tischdecke stellte, die den rechteckigen Tisch bedeckte, den man damals als Wohnzimmermöbel an die Veteranen unter den Mitgliedern verteilt hatte. Er erinnerte sich an ihren scharfen, alleswissenden Blick, als er stotternd vorbrachte, er verspüre ein Bedürfnis, jetzt wegzugehen, er könne nicht zwei Jahre warten, bis er an die Reihe käme, und an ihre Bemerkung über kurzfristige Opfer, deren Bedeutung auf lange Sicht gerechtfertigt würde. Damals hatte er nicht verstanden, was sie damit meinte, aber in den letzten Jahren, wenn er von einer Sitzung zur nächsten rannte, schnell eine fade Pizza aß oder eine Tasse Nescafé mit Kaffeeweißer hinuntergoß, während er zu einem Gespräch mit irgendeinem örtlichen Schulinspektor eilte, oder wenn er mit einem Fachjournalisten für pädagogische Themen zu Mittag aß, erinnerte er sich manchmal an diesen hellsichtigen Satz von Dworka. Dann versuchte er sich damit zu trösten, daß er ein guter Jurastudent und später ein erfolgreicher Rechtsan walt geworden war, hielt sich selbst die große Wohnung in Ramat Aviv vor Augen, das neue Auto mit Klimaanlage, das nun neben Mojschs Zimmer parkte – jede einzelne dieser Errungenschaften ließ sich, unter anderem, gegen die Mitglieder dieses Kibbuz anführen, vor allem gegen Dworka, die das in ihm schlummernde Potential nicht genug gewürdigt hatten.
    Ohnehin war damals, als er den Kibbuz verließ, Osnat schon in ein Doppelzimmer mit Juwik gezogen, Dworkas Sohn, doch darüber hatte Dworka kein Wort verloren. Sie kümmerte sich nicht um solche Dinge, aber auch sie mußte gewußt haben, wie sehr die Affäre zwischen Osnat und Juwik ihm das Herz gebrochen hatte. Tagelang hatte man im Kibbuz über nichts anderes gesprochen. Er hatte die mitleidigen und teilnahmsvollen Blicke wohl bemerkt, ihm war aufgefallen,
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