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Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)

Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)

Titel: Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)
Autoren: Axel Hacke
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Speisekarten ebenso wie in der Küche so eine Art Resteverwertung.Wie einer ein Essen aus dem zaubert, was eben noch im Kühlschrank so vorhanden ist, so schreibt ein anderer eine Speisekarte mit den Buchstaben, Silben und Wörtern, die noch herumliegen – in diesem Fall zum Beispiel ein É, ein »Papstes« und ein »Souffl«.
    Jedenfalls würde ich gerne wissen, wie ein É schmeckt, wo bekommt man schon ein É, und dann sogar ein É des Papstes? Jetzt bin ich schon über fünfzig, noch nie habe ich ein É gegessen.
    Apropos Resteverwertung: Immer wieder landen die erstaunlichsten Dinge auf der Karte und in den Speisen, oft scheinen die Köche buchstäblich alles zuzubereiten, was so in der Küche herumliegt, nicht selten handelt es sich auch um unsereins vollständig unbekannte Zutaten. In der Schweinefleisch-Abteilung zum Beispiel habe ich ganzvergessen zu erwähnen: »Franzosen 12oz schnitten die Schweinekotelettwanne, die mit einer Portglasur verbrannt wurde und gebacken war«. (Das entdeckte Frau S. aus München im
Holiday Inn Restaurant
in Downtown Fresno/Kalifornien.) Eine Schweinekotelettwanne, das ist, vermute ich, so eine Plastikwanne, in welcher der Metzger das Fleisch anliefert. Aber dass jemand die mit Port glasiert, backt, dann verbrennt und danach serviert – wow!

    Und was ist ein Kalbsbrustknorpel, wo befindet er sich und wie bereitet man ihn zu?
    Frau V. aus Köln schrieb mir, sie habe vor Jahren mit ihrem Mann in Frankreich Urlaub gemacht. Einmal seien sie in einem Restaurant gelandet, dessen Karte nicht die geringste Übersetzungshilfe anbot. Da sie mit ihrem Schulfranzösisch beide nicht recht weitergekommen seien, hätten sie schließlich den Kellner mit einem französischen Wort von der Karte zu einem des Englischen mächtigen Kollegen geschickt. Kurz darauf sei er mit einem Stück Papier zurückgekommen, auf dem eine englische Vokabel stand, die sie beide ebenfalls nie gehört hatten. Schließlich machte der Kellner gestikulierend ein Angebot, das sie so verstanden: Im Keller des Hauses lebe ein Deutscher, den werde er nun fragen.
    Wieder zwei Minuten später stand der Ober mit einem weiteren Zettel am Tisch, auf dem stand das Wort »Kalbsbrustknorpel«. Das bestellten Frau V. und ihr Mann der Einfachheit halber: Es handelte sich um Kalbsbrust in Weißweinsoße mit Gemüse. Sehr gut. Von Knorpel keine Spur. Aber bis heute beschäftigt das Ehepaar V. dieFrage, wer da im Keller des Lokals als Übersetzungshelfer gelebt habe. Ein übrig gebliebener deutscher Kriegsgefangener?
    Nun zu einem wirklichen Rindfleisch-Höhepunkt, der Karte des
Quality Inn
im
Mountain Ranch Resort
in Williams/Arizona, das wir schon aus der Vorspeisen-Abteilung kennen.
    Die Rindfleischgerichte finden sich unter der Überschrift »Steaks? Schläge«.
    Zuerst steht da: »Unsere Unterschrift und ein großer an 22oz. überstiegen mit unserer chipolte Butter«. Das klingt schon mal sehr interessant, denn es ist ja nicht nur so, dass ich noch nie ein É aß; ich speiste auch noch nie eine Unterschrift, noch dazu mit Butter überstiegen, womöglich mit »Gedämpftem Mischmasch von Gemüsepflanzen« als Beilage, wie er im Folgenden angeboten wird.
    Und wenn einem eine Unterschrift irgendwie zu wenig ist? Oder wenn man Unterschriften generell nicht so mag?
    Dann bietet sich an: »Die Kürzung des Herrn (12 Unzen)« oder »Dame-Kürzung (8 Unzen)«, schließlich sogar das Gericht »Ausziehen von New York 22$ (NEW YORK) 12 Unzen. Hauptkürzung gekocht zu Temperatur und überstiegen mit unserer speziellen chipolte Butter«. Ja, es kann sogar, wer nicht beim Rindfleisch bleiben möchte, »Doppelte Zentrum-Kürzungsschweinsrippchen« bestellen.
    Kürzungsschweinsrippchen? Sind das »Spar Ripps«, wie sie Leser S. aus München bei
Curry 54
in Magdeburg sah?
    Zum Höhepunkt dieses Kapitels, einem Gericht aus Cancale: »Vonrumsteack poôélé gepflastert, Senfes in Estragon sahnig, Knauseriger(Dürftiger) dichter Nebel und kleine Gemüse«.
    Was mir hier erstens gut gefällt, ist die in Klammern dem Wort »Knauseriger« folgende Alternative »Dürftiger«: als habe sich der glänzende Übersetzer dieses Textes bei seinen Überlegungen nicht recht für ein Wort entscheiden können. Als habe er gezweifelt, ob der dichte Nebel über dem
rumsteack
wirklich knauserig genannt werden könne. Ist er nicht doch eher dürftig?, muss er gedacht haben. Um dann seine Zweifel und seine Unentschlossenheit an den Leser weiterzugeben, der sich ja, wenn
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