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Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)

Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)

Titel: Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)
Autoren: Axel Hacke
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Wesfalls – wie man ja auch in jenem Lokal in Barr/Bas-Rhinim Elsass, das Herr B. aus Konstanz vor Jahren besuchte, kaum an dieser Speise vorbeikommt: »Überbackener Oberbegriff für Schalen- und Krustentiere«.
    So etwas liebt der Sprach-Gourmet. Überbackene Oberbegriffe! Geröstete Substantive! Ein Soufflé von Verben! Pochierte Präpositionen!
    Und wie entzückt es uns, wenn wir ganz nebenbei einmal ein Wort entdecken, das die Sache, um die es geht, viel besser trifft als der vom Koch (oder in diesem Fall der Fast-Food-Firma) gewählte Begriff. Frau G. aus Starnberg zum Beispiel fand bei
McDonald’s
auf Mallorca einmal das Angebot von »Huhnklumpen«, welche sich als
Chicken McNuggets
entpuppten – doch wer je vor einer Schale Hühnernuggets saß, der weiß, welches Wort das bessere ist. Übrigens entdeckte dieselbe Leserin in Ungarn auf mehreren Speisekarten »Drahthuhn«, das sich dann als »Truthahn« entpuppte. In diesem Fall hofft man einfach, dass »Drahthuhn« nichts Treffendes hatte, wer mag schon drahtige Hühner, oder waren es Käfigtiere? Handelte es sich gar um jene Wesen, die ich auf einer amerikanischen Speisekarte fand, im »Caesar Salad mit Vergitterten Hühner 9$: Der frische Römische Salat mit dem vergitterten Huhnbrust, shredded Parmesan-Käse rollte in dem sahnigen Ankleiden von Caesar und überstiegen mit Croutons«?
    Jedenfalls, wenn wir gerade bei Hühnern sind: Leser B. erwähnt in einer Mail, es habe in Budapest einmal »gebügeltes Hühnchen« gegeben – und bei dieser Gelegenheit findet man es plötzlich fast seltsam,dass unter all den Innovationen, die Jahr für Jahr unsere Küchen heimsuchen, noch nie die Idee war, ein Bügeleisen zur Zubereitung einer Mahlzeit zu verwenden. Mag sein, dass es beim Hühnchen nicht einmal sooo naheliegt, es zu bügeln, aber ein Kotelett zum Beispiel…?
    Als kleines Zwischengericht biete ich »Gefühlten Hühnersack« an, Leser G. brachte ihn aus Kutná Hora/Tschechien mit.
    Hier lässt sich übrigens ein Trend beobachten: Überall auf der Welt werden auf Deutsch gefühlte Gerichte angeboten. Herr H. aus Oldenburg brachte von einer Radtour durch die slowenische Provinz »gefühlte Tintenfische« mit, Frau L. verspeiste in der Tumblinger Straße in München »gefühlte Tomaten«, die Regensburger Leserin D. las in Fazana/Kroatien von »gefühlten Halchfleisch-Snitzeln«, aß sie aber doch nicht, im Gegensatz zu Frau T. aus Hannover, die in Monschau bei Aachen »gefühlte Paprikaschoten« verzehrte. Ein Münchner Italiener in der Tegernseer Landstraße schließlich bot Frau K. und allen anderen Gästen »gefühlte involtini« an.
    Wie kommt das? Wir leben ja in gefühligen Zeiten, man redet von gefühlter Inflation und gefühlten Temperaturen, überall bekennt man sich zu seinen Gefühlen – liegt es daran? Und was ist letztlich ein gefühlter Hühnersack, zum Beispiel? Haben wir es dann gar nicht mit einem Hühnersack zu tun, sondern mit etwas anderem, das wir nur als Hühnersack empfinden? Kann man uns etwas, das kein Hühnersack ist, als Hühnersack servieren, weil wir fühlen, dass es ein Hühnersack ist? Oder sein könnte?

    Das sind im Letzten doch sehr tief gehende Fragen.
    Es könnte aber auch alles viel banaler sein, nur ein Schreibfehler, und man wollte »befühlt« sagen, also: dass der Koch die Hühnersäcke, Tintenfische, Tomaten, Paprikaschoten, Involtini und das Halchfleisch sorgfältig befühlt habe, bevor er sie zubereitete.
    Jedenfalls erinnert mich das Ganze an das Foto eines mit Kreide beschriebenen Schildes vor einer Bäckerei, das man mir mal schickte. Dort stand: »Das bewußte Frühstück-Brötchen Mit weniger Fett – Fett reduzierter Wurst u. Käse«.
    Hier sind es nun nicht mehr wir, die etwas fühlen, hier ist es ein Brötchen, das über Bewusstsein verfügt. Aber wer, um Himmels willen,brächte es fertig, ein »bewußtes Brötchen« zu essen?! Hier geht es doch nicht mehr um ein »gefühltes Brötchen«, also um etwas, das wir – mag es nun ein Brötchen sein oder nicht – jedenfalls doch als Brötchen sehen. Hier ist es das Brötchen, das über ein Bewusstsein seiner selbst verfügt, sich also persönlich als Brötchen empfindet – und zwar noch im Zustand seines Brötchenseins. Das ist etwas anderes, als einen Kalbsbraten zu essen, der einmal ein Kalb war. Hier nehmen wir quasi ein noch lebendes Wesen zu uns.
    Vor vielen Jahren wurden übrigens in einem Lebensmittelgeschäft in dem italienischen Dorf, in das ich
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