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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht...
Autoren: Robert Tibber
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wir zukünftig mehr Sorgfalt auf die Alten verwenden und dabei mit den heute Dreizehnjährigen beginnen sollten.
    »Diese Kinder wollen etwas vom Menschen erfahren, von der Liebe, von Drogen, vom Kinderkriegen. Das heißt nicht, daß sie >fliegen< wollen, Mann, aber ein bißchen mehr wollen sie wissen über den Rausch. Es ist wichtig, das zu wissen, Mann. Kein Schul- - junge wird ins Badezimmer rennen, um seine Hände wegen des Geredes über Bazillen zu waschen, aber er muß davon wissen. Unser falsches Moralsystem der kirchlich erzeugten Schuldkomplexe auf der einen Seite und der Glaube an den Erfolg auf der anderen Seite haben diesem Land seine echte physische und psychische Energie entzogen. Man sagt: >Ich habe ihm vom Tag seiner Geburt an alles gegebene Ja, Mann, das heißt: alles, was gut und teuer war. Aber was war mit der Liebe? Jenem Blick der Anteilnahme und der Zuneigung, den jedes Kind in den Augen seiner Eltern sucht! Die Jungen werden schon bald Eltern sein, Mann. Wir lernen unsere Haltung von unseren Eltern, die wieder von den ihren lernten. Wir müssen der Verkümmerung und dem Zusammenbruch Vorbeugen, Mann. Müssen aufhören, Tiere und ihr Verhalten zu studieren, Mann. Jeder Mensch braucht Liebe.«
    Wir sprachen über Antibiotika, Asthma und neurovegetative Störungen. Wir sprachen von der Medizin und den Massenmedien und von Freds fester Überzeugung, daß die Chirurgie beinahe immer ein Notbehelf sei, der nur so lange zulässig sein dürfe, bis wirkungsvollere Methoden erfunden worden seien. Nach einer Stunde fing ich an, mich für Freds Ansichten zu erwärmen. Nach anderthalb Stunden glaubte ich beinahe an ihn. Ich begleitete ihn hinaus zum Taxi und sagte, daß ich, wenn er wirklich die Absicht hätte, mein Partner zu werden, sofort seine Zeugnisse prüfen und ihm Bescheid geben würde. Als er sich ans Steuer setzte, sagte ich zu ihm:
    »Und Ihre Eltern, Fred? Was ist mit ihnen?«
    »Mann Gottes«, sagte er und hob die Augen gen Himmel.
    Er ließ den Wagen anspringen und rief: »Wenn man seine Eltern nicht vorzeigen kann, soll man sie beerdigen.«
    Ich überlegte, ob ich richtig gehört hatte.
    Ich zog Erkundigungen über Fred ein. Augenscheinlich hatte er nach dem Gymnasium sein Medizinstudium ganz normal mit einem Stipendium begonnen. Erst während der letzten sechs Monate war er aus der Reihe getanzt. Niemand schien das erklären zu können, aber alle seine drei Chefs, mit denen ich sprach, schienen - wenn sie auch seinen Scharfsinn und sein medizinisches Wissen nicht abstreiten konnten — ganz erleichtert zu sein, daß er beschlossen hatte, praktischer Arzt zu werden, wofür sie ihn trotz seiner Sonderlichkeiten für besonders geeignet hielten. In diesem Punkt mußte ich zugeben, daß meine Gefühle nicht einheitlich waren. Während ich meine täglichen Visiten unternahm, versuchte ich mir Fred an meiner Stelle vorzustellen. Würde er mit Miss Lacey über die Liebe sprechen, obwohl sie von Arthritis geplagt war und durchlöchert von Hemmungen? Würde Oberst McAdam ihn mit seinem geblümten Hemd und den Sandalen über die Schwelle seines Hauses lassen, oder würde man ihm höflich eine Abfuhr erteilen? Würde er von Penny Marsh mit ihren Masern etwas anderes zu hören bekommen als Spottgelächter? Würde Richard Wall ihn seine stechenden Schmerzen behandeln lassen? Jennifer Mitchell, glaube ich, würde schreien, wenn er ihr Schlafzimmer in seinem komischen Aufzug beträte. Aber, wie Sylvia sagte: Bettlern bleibt keine Wahl.
    Und außerdem hielt sie ihn ja für außergewöhnlich reizend.
    Ich mußte aufgeben. Nicht nur Sylvia, auch die Zwillinge bettelten mich, ihn zu nehmen. Mit ihren zwölf Jahren hielten sie sich für Menschenkenner und erklärten ihn für umwerfend, süß, göttlich, pfundig, phantastisch, schick und anderes mehr, was alles mir bei einem praktischen Arzt nicht unbedingt für besonders erstrebenswert schien. Ich stand allein mit meinen Zweifeln, die ich Fred gegenüber hegte. Als ich Dr. Murphy, Dr. Miller, Dr. Hobbs und Dr. Entwhistle während meiner Visiten begegnete, fragte ich mich, wie ihre Reaktion auf Fred in seinem roten Taxi sein würde und ob sie gewillt sein würden, ihn in den Wochenend-Dienst aufzunehmen.
    Da ich mich wegen Überarbeitung immer erschöpfter und unfähiger fühlte, meine Praxis allein weiterzuführen, sah ich die Notwendigkeit ein, setzte mich über meine Zweifel und bösen Vorahnungen hinweg und benachrichtigte Fred und die Behörden, daß wir
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