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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht...
Autoren: Robert Tibber
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Erinnerung an meinen letzten Partner, der Selbstmord begangen hatte, deprimierte mich nur noch mehr. Ich wünschte, er wäre noch bei mir.
    »Ich bin ganz sicher, daß alles gut werden wird«, sagte Sylvia kurz angebunden und nahm das Tablett wieder auf. »Nun muß ich aber wirklich an meine Arbeit.«
    Ich blickte ihr nach und wünschte mir, ihren Optimismus teilen zu können. Seitdem sie zu schreiben begonnen hatte, fand sie immer weniger Zeit für mich.
    Wieder mußte ich an Fred denken. Ehe wir schließlich zu ernsten Verhandlungen gekommen waren, hatte ich ihn gefragt, warum er trotz seiner vorzüglichen Krankenhauszeugnisse und der Möglichkeit einer vielversprechenden Karriere sich um den Posten bei einem praktischen Arzt beworben habe.
    »Wäre es nicht besser für Sie, in einem Krankenhaus zu arbeiten?«
    »Dort gibt es nicht genug Liebe, Mann.«
    Ich mußte erstaunt ausgesehen haben.
    »Kann nicht dicht genug ’rankommen im Krankenhaus, Mann. Ein Vögelchen im Bett, aber es kann nicht reden. Keiner hat Zeit. Höchstens zu einer eiligen Krankenschwester. Ich möchte mehr erfahren. Möchte keine Schwestern, keine Untergebenen. Möchte dicht genug ’rankommen.«
    Ich hoffte nur, daß er nicht ein zweiter Dr. Furacre war, Robins zeitweiliger Nachfolger, der sich darauf versteift gehabt hatte, alles wie in einem kleinen Krankenhaus selbst zu tun. Fred versicherte mir, daß dies bei ihm nicht der Fall sei.
    »Und was ist mit der Bezahlung?« fragte ich ihn. »Diese Praxis geht gut, aber Sie müssen doch wesentlich bessere Angebote bekommen haben.«
    »Wer will schon aus Liebe Geld schlagen?«
    »Sind Sie nicht an höheren Qualifikationen interessiert?«
    »Ich gebe nichts auf all diese Mitgliedschaften, Forschungsaufträge, Diplome. Sie lesen alle dieselben Bücher, Mann, und noch ehe man >Gallensteine< sagen kann, sind sie daran, eine Gewebetransplantation vorzunehmen. Nichts zählt außer der echten Zuneigung. Ich mach’ da nicht mehr mit, Mann.«
    Auf seinen mir unheimlichen Anzug blickend, kam mir plötzlich ein Gedanke:
    »Sind Sie verheiratet - oder so etwas Ähnliches?«
    Er war viel klüger, als ich erwartet hatte.
    »Ich bin in Ordnung, Mann. Das weibliche Wesen, das ich liebte, ist auf einer Reise - für dauernd. Es gibt nur Fred, Mann.«
    »Mann — ich meine Dr. Perfect«, sagte ich und gab mir einen Ruck, »würden Sie beim Fehlen von Fieber eine akute Blinddarmentzündung diagnostizieren?«
    Er antwortete mir wie aus der Pistole geschossen:
    »Fehlen von Fieber, auch von beschleunigtem Puls, sollte niemals von einem akuten Blinddarm zurückhalten. Ich würde zwar bestimmt Temperatur und Puls prüfen, aber selbst wenn beides normal wäre, sollte man beim Vorhandensein von anderen Anzeichen und Symptomen, die auf akuten Blinddarm schließen lassen könnten, sich nicht von dieser Diagnose abbringen lassen und unverzüg- 1 lieh ins Krankenhaus einweisen.«
    »Und was denken Sie über die Behandlung nach einem Herzinfarkt?«
    Er sah mich einen Augenblick an, und ich dachte schon, nun hätte ich ihn endlich in der Falle. Die vorangegangene Frage hätte auch von einem interessierten Laien beantwortet werden können.
    »Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, Mann. Nur wenn die praktischen Ärzte gewillt wären, ihre Patienten beim Gehen zu beobachten, könnten die anfängliche Geschwindigkeit, die Anpassungsperiode und die Höchstgeschwindigkeit festgestellt werden. Auf diese Weise könnte manche Herzmuskelinvalidität vermieden werden. Kein Patient sollte mit Höchstgeschwindigkeit üben, nicht einmal versuchsweise und überhaupt nur unter elektro-kardiographischer Kontrolle. Üben auf einem Ergometer-Fahrrad ist ermüdend, unnatürlich, unphysiologisch und gefährlich. Der Patient muß umerzogen werden. Ein Abteilungsarzt im Krankenhaus kann das nicht tun, Mann, aber ein praktischer Arzt kann es.«
    Ich sah ihn durch die Straßen gehen mit unseren zahlreichen an Koronarsklerose Erkrankten und begann daran zu glauben, daß er es tatsächlich tun würde. Je mehr wir sprachen, desto mehr vertraute ich ihm, daß er nicht nur gute medizinische Kenntnisse besaß, sondern sich auch einzigartig für die Menschen einsetzen würde. Er hatte das Gefühl, unser jetziges medizinisches System sei nicht mehr human und wir wären so sehr von der Medizin als Wissenschaft und Technologie beherrscht, daß unser Dienst am Kranken einem industriellen Wartungsdienst vergleichbar geworden sei. Auch glaubte er, daß
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