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Nur noch diese Nacht

Nur noch diese Nacht

Titel: Nur noch diese Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Mira Lyn
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mehr haben konntest, Ryan.“
    Aufgebracht fuhr er sich mit der Hand durchs Haar und blickte auf ihren Bauch, dann wieder in ihre Augen. „Mehr als du mir geben konntest …“
    Was sollte sie jetzt noch sagen? „Ja.“
    Claire schloss die Augen und legte das Gesicht auf ihre Knie. Die weiche Baumwollbettwäsche würde die Tränen aufsaugen, die sie nicht mehr zurückhalten konnte.
    Was würde als Nächstes kommen?
    Die Matratze gab nach, dann spürte sie Ryans Arm. Sanft zog er sie an sich, ließ sich mit ihr aufs Bett zurücksinken.
    Einige Augenblicke lagen sie stumm da. Dann streichelte Ryan ihre Schulter und küsste sie aufs Haar. „Okay, Claire. Jetzt weiß ich es wenigstens.“
    Ryan streifte sich die Umhängetasche über die Schulter und betrachtete Claire. Zusammengerollt lag sie unter der Bettdecke.
    Den größten Teil der Nacht hatten sie wach gelegen und geredet. Erst gegen fünf hatte Claire sich in seinen Armen entspannt und war endlich eingeschlummert. Knapp eine Stunde später hatte er es nicht übers Herz gebracht, sie zu wecken, und geräuschlos die wenigen Sachen eingepackt, die er für die zwei Nächte mitgebracht hatte.
    Jetzt war es Zeit, dass er ging, aber er wagte es nicht, ihr einen Abschiedskuss zu geben. Er wollte sie nicht wecken. Und er wollte der Frage ausweichen, die sie ihm unweigerlich stellen würde: Und was jetzt?
    Vielleicht war er feige. Aber er wusste einfach nicht, was er darauf antworten sollte. Was sie aus dem Gefühlschaos machen sollten, das sich aus etwas scheinbar so Einfachem entwickelt hatte.
    Er hatte zu wissen geglaubt, was mit ihrer Beziehung, ihrer Ehe geschehen war. Nach langen inneren Kämpfen hatte er sich mit dem Verlust und der Erkenntnis abgefunden, dass der Vorhang gefallen war, als Claire entschieden hatte, ohne ihn besser dran zu sein. Dass die Kluft zwischen ihnen nach der Fehlgeburt einfach zu groß gewesen war, um sie überbrücken zu können.
    Dass Claire ihn nicht mehr liebte.
    Aber so war es nicht.
    Möglicherweise hatte sie sich gefragt, ob es noch eine gemeinsame Zukunft gäbe, sich wieder so weit gefangen, dass sie einen neuen Anfang wollte. Vielleicht war sie bereit gewesen, zu ihm zu fliegen. Doch das würde er nie erfahren. Jedenfalls nicht die Einzelheiten.
    Sicher konnte er nur sein, dass Claire sich für ihn mehr gewünscht hatte, als sie geglaubt hatte, ihm geben zu können. Und was immer sie sich vor dem Aufenthalt im Krankenhaus erhofft hatte, war bedeutungslos geworden, als sie es verließ. Da hatte sie bereits entschieden, was für ihn am besten sein würde.
    Wieder so ein Opfer!
    Fast zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
    Wie oft hatte er im Lauf der letzten Monate die neue, starke, erstaunlich unabhängige Claire bewundert und sich gefragt, wie und wann sie zu dieser unglaublichen Stärke gefunden hatte.
    Na ja, jetzt wusste er es.
    Das war vor sechs Jahren passiert. Durch kaum nachvollziehbare Großherzigkeit.
    Die alte Wut stieg in ihm auf. Jenes erstickende Gefühl der Ohnmacht, das ihn bei allen Entscheidungen getrieben hatte, seit er acht war und zu begreifen begonnen hatte, was für Opfer seine alleinerziehende Mutter brachte, um ihm ein Leben bieten zu können, das sie sich für ihn wünschte. Dafür hatte sie ihre eigenen Bedürfnisse immer hintangestellt.
    Er hatte sein Bestes gegeben, um gute Noten und Universitätsstipendien zu bekommen, sich mit allen möglichen Jobs etwas dazuverdient. Sein Erfolg war ihre Belohnung, die Erfüllung ihrer Träume gewesen. Endlich hatte er sie für ihre Entbehrungen entschädigen können.
    Für Claire war die Situation aber anders gewesen. Schließlich hatte sie kein hilfloses Kind durchbringen müssen.
    Er war ihr Ehemann. Und statt ihm die Möglichkeit zu geben, für sie da zu sein, hatte sie ihm die Wahrheit verheimlicht, sich bis heute geweigert, ihm Dinge anzuvertrauen, die zu erfahren er ein Recht hatte. Sie hatte ihm jedes Mitspracherecht an dem Leben verweigert, dass sie geschworen hatten, miteinander zu teilen.
    Ryan wandte sich von der schlafenden Claire ab und ging den Flur entlang, jeder Schritt begleitet vom verräterischen Knacken des Holzfußbodens. Als er an der Haustür angekommen war, hörte er, dass Claire schlaftrunken nach ihm rief. Leise ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
    Sie hatte ihm keine Wahl gelassen, ihm nicht einmal eine ehrliche Erklärung für ihre Entscheidungen gegeben.
    Im Moment wusste er nicht, ob er ihr das würde verzeihen

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