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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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soll ich nun machen?«
    »Entweder aus Polen beschaffen lassen oder gegen Westgeld aus dem Intershop. Wenn Sie eine Batterie mitbringen, bauen wir die ein.«
    »Danke für die freundliche Auskunft.«
    Bevor Jonas aus der Schlange tritt, lässt er den blauen Reparaturauftrag, die Papiere und die Autoschlüssel in seiner Jacke verschwinden. Er geht aus dem Gebäude, ohne die Insassen des Wartburgs eines Blickes zu würdigen. Als er an ihnen vorbeikommt, holt er seine Geldbörse aus der Gesäßtasche und nimmt einen Busfahrschein heraus.
    Jonas überquert einen kleinen Bahnübergang, der nur von Fußgängern passiert werden kann. Alle Kunden, die beim IKN ihre Autos abgegeben haben, benutzen diesen Weg. Hinter dem Bahnübergang ist die Wendeschleife des Busses, der von dort zurück in die Rostocker Innenstadt fährt. Ohne sich umzudrehen, steigt er in den Bus.
    Aber er fährt nur wenige Meter, dann drückt er den roten Nothaltknopf und fragt den Busfahrer, ob er aussteigen dürfe, ihm sei schlecht. Der Bus hält sofort. Jonas springt hinaus. Im Schutz hoher Hecken von Kleingartenanlagen geht er zurück bis zu dem Fußweg, der über den Bahnübergang auf das Betriebsgelände des IKN führt.
    Jonas lugt um die Ecke. Der weiße Wartburg hat gewendet und fährt in Richtung Innenstadt. Wahrscheinlich wird er versuchen, sich an den Linienbus zu hängen. Er wartet, bis der Wartburg außer Sichtweite ist. Dann geht er gelassen zu seinem Lada, verlässt den IKN-Parkplatz und biegt auf die F 105, die über Ribnitz-Damgarten und Stralsund nach Greifswald führt.
    Jonas ist sich sicher, dass auf der Fernverkehrsstraße nach Greifswald an diesem Tag Verkehrskontrollen durchgeführt werden, denn auch die politische Prominenz aus Hamburg oder Kiel wird diese Straße benutzen. Darum biegt er in Rostock-Ost von der Fernverkehrsstraße ab und fährt auf die Autobahn nach Berlin. An der Abfahrt Rostock-Süd verlässt er die Autobahn wieder und fährt die Nebenstrecke über Sanitz, Bad Sülze und Grimmen in Richtung Greifswald. So oft er auch in den Rückspiegel schaut, er sieht kein verdächtiges Fahrzeug mehr hinter sich. Überhaupt begegnet er nur selten einem anderen Auto. Auf den schmalen Straßen sind vor allem landwirtschaftliche Fahrzeuge unterwegs.
    Kurz vor der Einfahrt nach Greifswald biegt er nach rechts in einen Feldweg ein und stellt seinen Lada neben der alten Bockwindmühle ab. Er zieht sein Jackett über, hängt sich die Kameratasche um und schiebt den Brief an Björn Engholm unter sein Unterhemd. Über Wiesen läuft er zur nächsten Bushaltestelle.
    Der Linienbus fährt ins Zentrum von Greifswald. Vor der Brücke über die Ryck hält der Bus kurz und muss dann einige Barrieren umfahren. Die Polizei hat an der Einfahrt zum Stadtzentrum eine Straßensperre aufgebaut und kontrolliert die Fahrzeuge. Aber nicht die Insassen des Linienbusses.
    Jonas war schon öfter in Greifswald, doch an diesem Tag ist einiges anders. Die Fassaden vieler Altstadthäuser sind frisch gestrichen, teilweise wurden sogar neue Fenster und Türen eingebaut. Doch bei genauerem Betrachten erkennt man, dass dort nur Ruinen stehen. Vor den Ruinen, die schon in sich zusammengestürzt sind, hat man riesige Transparente aufgestellt. Darauf prangen Losungen wie »Weiter voran auf bewährtem Kurs«, »Je stärker der Sozialismus - desto sicherer der Frieden« oder »Unser Kurs ist richtig!«
    Jonas hat nur noch eine Viertelstunde Zeit und geht rasch in Richtung Dom. Viele Wege sind mit Wimpelketten abgesperrt. Etwa alle vier Meter ist ein Volkspolizist in Uniform postiert. Hinter den Polizisten, innerhalb der Absperrung, stehen in Dreiergruppen junge Männer in Blousons. Noch nie hat Jonas ein so großes Aufgebot an Staatssicherheit gesehen.
    In der Absperrung gibt es einen Korridor, in den zwei von Hand geschriebene Schilder mit der Aufschrift »Ehrengäste Domweihe« und »Presse-Akkreditierung« weisen. Jonas folgt diesem Weg durch ein enges Spalier von Sicherheitskräften. Niemand hält ihn an oder lässt sich einen Ausweis zeigen. Vor dem Gemeindehaus stehen zwei Polizeioffiziere. Als Jonas herantritt, gehen sie zur Seite, sagen »Guten Morgen« und heben grüßend die Hand zur Schirmmütze.
    Im Gemeindehaus wird er von einer freundlichen älteren Dame mit Handschlag begrüßt: »Herzlich willkommen zur Domweihe. Wie war doch Ihr Name bitte?«
    »Ich bin der Fotograf der Nordeibischen Kirchenzeitung.«
    »O ja. Wir haben schon auf Sie gewartet. War
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