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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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brennt warm auf das einsame Paar am Strand. Er streichelt unter ihrem Kleid über ihren runden Bauch. Sie lässt seine langen blonden Haare durch ihre Finger gleiten und küsst ihn. Es ist so still am Ufer des Boddens, dass nur ein leichtes Plätschern der Wellen zu hören ist. Sie reckt sich hoch, um sich zu vergewissern, dass sie allein sind, dann zieht sie ihren Slip aus. »Bitte komm zu mir. Ich möchte dich spüren«, sagt sie leise.
    »Geht das denn noch?«
    »Frag nicht so viel...«
    Später nimmt Jonas ihre Hände und hält sie ganz fest. Er sieht sie an. Tränen rollen über ihre Wangen. Eng umschlungen schlafen sie ein.
    Als Julia Stimmen hört, schrickt sie auf. Eine Familie mit Kindern kommt den Strand entlangspaziert. Sie sieht auf ihre Uhr.
    »Jonas, es ist Viertel vor vier. Wir müssen zurück.«
    Sie ziehen sich schweigend an und fahren im Golf zur Dom-küsterei, wo Detlef Fliege sie schon erwartet. Gemeinsam fahren sie weiter zur alten Bockwindmühle, wo Jonas' Auto parkt. Sie küssen sich zum Abschied. Julia hält seine Hände ganz fest. Weinend dreht sie sich um und steigt wieder in den Golf.
    Jonas sieht dem Wagen hinterher, bis er endgültig aus seinem Blick verschwindet. Er steigt in seinen Lada und fährt auf der F 105 auf direktem Wege nach Rostock. Von Polizei und Stasi ist nichts mehr zu sehen. Es ist schon Abend, als er die menschenleeren Straßen der Stadt passiert. Gegen 21 Uhr erreicht er Langenhagen. Es ist ein lauer Juniabend und noch hell.
    Plötzlich hat Jonas ein ungutes Gefühl. Er fährt nicht zu seinem Wohnhaus, sondern biegt von der Dorfstraße ab und stellt sein Auto hinter eine alte Scheune. Über eine Wiese schleicht er sich hinter den Grundstücken entlang bis zu seinem Garten. Die alten Obstbäume blühen prächtig. Er steigt über den baufälligen Holzzaun und betritt sein Grundstück von der Rückseite.
    Ihm stockt der Atem und er duckt sich hinter die Himbeersträucher. In seiner Hofeinfahrt stehen ein weißer Wartburg und ein blauer Barkas. Auf den Gartenbänken sitzen zwei Polizisten in Uniform und drei Männer in Zivil. Zwei weitere Männer streichen ums Haus und machen Fotos.
    Jonas weiß sofort, was los ist. Geduckt schleicht er sich zurück zur Scheune, steigt in den Lada, wendet und flieht aus seinem Dorf. Er fühlt, dass er sein Haus zum letzten Mal gesehen hat.
    Er parkt den Lada auf dem Thälmannplatz im Zentrum von Rostock. Er sieht in den Kofferraum. Alles, was er vor Tagen vorsorglich gepackt hatte, ist da: die Tasche mit den Dokumenten, die Reisetasche mit persönlichen Dingen, seine Kameraausrüstung.
    Jonas geht zum Spätschalter des Hauptpostamtes und telefoniert nach Berlin.
    »Hallo Fred. Bitte stell keine Fragen. Kann ich zu dir kommen?«
    »Alles klar, Alter. Lass dein Auto ein paar Straßen vorher stehen und komm zu Fuß. Bier steht schon kalt.«
    Jonas bleibt im Postamt und denkt nach. Schließlich gibt er ein Telegramm auf:
    Liebe Julia. Bitte Notenblätter schicket}. Dringend!
     

Kapitel 24
    »Was hast du da für ein dickes Kuvert?«
    Marc Davis fährt von West-Berlin aus in den Checkpoint Charlie. Er lässt das Fenster auf der Fahrerseite hinunter und reicht den Pass seiner Begleiterin dem DDR-Grenzer. Der wirft einen kurzen Blick hinein, drückt einen Stempel auf das Dauervisum und wünscht einen guten Aufenthalt in der Hauptstadt der DDR.
    »Du musst nicht über alles Bescheid wissen, was ich bei mir habe«, sagt Bianca und legt Davis die Hand auf den Oberschenkel.
    »Hast du Geheimnisse vor mir?«
    Bianca lacht. »Julia hat es mir mitgegeben«, sagt sie und lässt die Hand ein wenig höher rutschen.
    »Und was steckt drin?«
    »Keine Ahnung. Mich interessiert eigentlich mehr, was hier drinsteckt ...«Sie lacht wieder. »Ich soll es in der Bibliothek lagern, bis irgend so ein Zoni es abholt.«
    Marc Davis fährt vor das Tor der US-Mission in Ost-Berlin, tippt zweimal die Lichthupe an und das hohe eiserne Tor rollt zur Seite. Betont distanziert steigen beide aus dem Wagen und gehen zu ihren Arbeitsplätzen. In der Bibliothek schiebt Bianca den Umschlag zwischen die Atlanten.
    Am selben Tag fährt Jonas mit der U-Bahn ins Zentrum von Berlin. Es ist ein warmer Junitag, an dem man schon kurzärmelig die Sonne genießen kann. Jonas hat sich eine große Stofftasche umgehängt. Darin steckt ein leerer Aktenordner, nur damit es so aussieht, als sei die Tasche mit irgendetwas gefüllt. Unter den Linden angekommen, geht er direkt zur US-Botschaft.
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