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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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renovierte Kirchenschiff, Honecker und Co., die westlichen Ehrengäste und natürlich ein Motiv von der Festansprache, die vermutlich Bischof Gienke halten wird. Das Layout steht schon. Sie erhalten pro Bild fünfzig D-Mark - wäre das in Ordnung?«
    »Farbe oder schwarz-weiß?«
    »Wir erscheinen nur in schwarz-weiß.«
    »Ich kann mir schwer vorstellen, dass Sie für mich eine Akkreditierung erhalten. Und es werden so viele Stasi-Typen da sein, dass sie sich gegenseitig auf die Füße trampeln.«
    »Die Akkreditierung lassen Sie bitte meine Sorge sein. Der SED-Führung ist viel daran gelegen, dass wir, die Zeitung der Partnerkirche, diesen Termin wahrnehmen und darüber berichten. Ich werde Sie als meinen Fotografen in die Liste eintragen -niemand muss wissen, dass Sie nicht aus Kiel sind.«
    »Und wie komme ich durch die Bannmeile? Wenn die meinen Ausweis sehen wollen, fliege ich auf.«
    »Es wird in der Absperrung einen Korridor geben, der zum Gemeindehaus führt. Dort dürfte niemand kontrolliert werden, weil die westlichen Ehrengäste diesen Weg gehen. Im Gemeindehaus sagen Sie Ihren Namen und dass Sie von der Nordeibischen Kirchenzeitung in Kiel kommen. Ihre Akkreditierung wird für Sie bereitliegen.«
    Jonas kann nur nicken.
    »Dann haben wir alles geklärt. Das Honorar zahle ich Ihnen cash.«
    Jonas nickt wieder.
    »Ich muss jetzt weiter, ich bin im Transit und habe mich nur etwas verfahren.«
    »Im Transit?«
    »Ich fahre jede Woche mindestens einmal die Strecke von Kiel nach Berlin beziehungsweise umgekehrt.«
    Jonas schießt der Gedanke durch den Kopf, dem Mann eine Nachricht für Julia mitzugeben. Doch er verwirft die Idee sofort wieder. Schließlich kennt er diesen Fliege überhaupt nicht.
    »Na, dann genießen Sie noch den Frühlingstag in Ihrem schönen Garten. Bis zum übernächsten Wochenende.«
    Am Vorabend des n.Juni 1989, dem Tag der Wiedereinweihung des Greifswalder Doms, tippt Jonas auf seiner Schreibmaschine folgenden Brief:
    Werter Herr Ministerpräsident Björn Engholm, ich bitte Sie persönlich, meinen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen. Ich berufe mich auf die UNO—Charta der Menschenrechte, die Schlussakte von Helsinki sowie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In der DDE werde ich politisch verfolgt und muss mit  Inhaftierung rechnen.
    Ich danke Ihnen für Ihre persönliche Hilfe und Unterstützung! Hochachtungsvoll Johannes Maler Jonas schiebt den Brief in einen Umschlag, klebt ihn zu und steckt ihn in seine Kameratasche. Dann putzt er seine Schuhe und legt sein Jackett ins Auto.
    Am Morgen des 11. Juni um sieben Uhr verlässt Jonas das Haus. Er vergewissert sich, dass Reisetasche, Dokumentenmappe und Fototasche im Auto liegen. Als er die Rostocker Innenstadt erreicht hat, bemerkt er, dass ihm ein weißer Wartburg folgt.
    Er fährt Umwege über Nebenstraßen. Doch der Wartburg bleibt hinter ihm. Unmöglich kann er mit den Verfolgern im Nacken zur Domweihe nach Greifswald fahren. Bis dorthin sind es etwa drei Autostunden. Und er darf Rostock nicht verlassen.
    Er lässt das Stadtzentrum hinter sich und fährt auf die F 105, die in Richtung Greifswald führt. Sein Schatten bleibt hinter ihm. Kurz entschlossen biegt er vor dem Verlassen der Stadt nach rechts ab, überquert einen Bahnübergang und fährt dann scharf nach links auf das Gelände des VEB Industriekombinat Nord. Das IKN ist die einzige Autoreparaturwerkstatt in Rostock. Dort müssen die Kunden morgens zwischen sechs und acht Uhr erscheinen, um ihre Autos zur Reparatur anzumelden.
    Jonas fährt auf den Parkplatz, auf dem etwa hundert Autos stehen, nimmt seine Fahrzeugpapiere und reiht sich in die lange Schlange der Wartenden ein, die eine Reparatur anmelden wollen. Er füllt das zweiseitige blaue Anmeldeformular aus, trägt aber keinen Grund für die Reparatur ein.
    Durch die große Glasfront sieht er, dass der verdächtige Wartburg genau vor dem Eingang parkt. Die zwei Männer darin machen keine Anstalten auszusteigen. Die Lage ist eindeutig.
    Als Jonas an der Reihe ist, fragt ihn ein Mechaniker, was mit seinem Auto sei.
    »Mein Lada springt schlecht an. Die Batterie ist schrottreif.«
    »Junger Mann, deswegen hätten Sie sich nicht anzustellen brauchen.«
    »Wieso?«
    »Jeder Mensch weiß, dass es seit Ewigkeit keine Autobatterien gibt.«
    »Aber das hier ist doch eine Werkstatt.«
    »Aber ich kann Ihnen keine Batterie herzaubern, wenn es im ganzen Land keine gibt.«
    »Und was
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